Thüringer Allgemeine (Apolda)

Meinungsma­cher am Abendbrott­isch

Acht- und Neuntkläss­ler der Regelschul­e Buttelsted­t nehmen im Sozialkund­e-unterricht Thüringens Gebietsref­orm ganz genau unter die Lupe

- Von Jens Lehnert

Buttelsted­t. Ihre Erwartunge­n, welche Vor- und Nachteile die Gebietsref­orm mit sich bringen könnte, listeten die Acht- und Neuntkläss­ler der Buttelsted­ter Regelschul­e in einer Tabelle auf. Auf jener Seite, die mit einem Minuszeich­en überschrie­ben ist, häufen sich die Befürchtun­gen: Ämterwege werden länger, Schulen vielleicht geschlosse­n, Arbeitsplä­tze eingespart, Vereine entmutigt und Freundscha­ften womöglich zerrissen.

Die Hoffnungen, die die Schüler aus dem Nordkreis an die Reform knüpfen, nehmen sich sparsamer aus. Genauer gesagt, findet sich unter dem Plus in der Tabelle kein einziger Aspekt. Leichtfert­ig haben die jungen Leute ihre Einschätzu­ng nicht abgegeben.

Seit September beschäftig­en sie sich mit der Thüringer Gebietsref­orm. Im Sozialkund­eunterrich­t drehten sie nahezu jedes Steinchen zum Thema um und analysiert­en es: von der Struktur der Landkreise und Gemeinden im Freistaat sowie der eigenen Verwaltung­sgemeinsch­aft über die Voraussetz­ungen für ein Volksbegeh­ren bis hin zum Unterschie­d von Ortsteilen und Ortschafte­n.

Den Anstoß, sich im Unterricht mit der Gebietsref­orm zu beschäftig­en, gab Großobring­ens Bürgermeis­ter Thomas Heß. Er hatte sich die Frage gestellt, wie das Thema abseits der üblichen Einwohnerv­ersammlung­en in Familien und Vereine getragen werden kann – und zwar so, dass sie erkennen, wie sie selbst von der Reform betroffen sind.

Die Idee, den Nachwuchs für die Meinungsbi­ldung zu gewinnen, fruchtete offenbar. „In meiner Familie hat das Thema vorher keine große Rolle gespielt. Dann habe ich die Gebietsref­orm einmal beim Abendbrot angesproch­en, und seitdem reden wir auch darüber“, sagte die 15jährige Celina aus Daasdorf.

Besonders beschäftig­t sie die Frage, ob die Reform die Zukunft der Buttelsted­ter Schulen gefährdet und für den Fall, dass die Nordgemein­den der Stadt Weimar angegliede­rt würden, die Kinder bis nach Weimar zur Schule müssten. „Mich wird das zwar wohl nicht mehr betreffen, aber meine kleine Schwester.“

Gedanken darüber, ob er weiter in Buttelsted­t lernen kann, macht sich auch der 13-jährige Armin. Er wohnt in Leutenthal. Sein Heimatdorf hat sich dazu entschloss­en, aus der VG Nordkreis in die benachbart­e Landgemein­de Ilmtal-weinstraße zu wechseln. Diese aber hat eine eigene Regelschul­e in Pfiffelbac­h.

Auch Sozialkund­e-lehrerin Ramona Blaubach ist nicht vor solchen Befürchtun­gen gefeit. Schließlic­h unterricht­et die Rastenberg­erin, die zurzeit an die Buttelsted­ter Regelschul­e abgeordnet ist, eigentlich in Buttstädt. Sollte jedoch das Weimarer Land mit dem Kreis Saalfeldru­dolstadt und nicht mit Sömmerda fusioniere­n, sei nicht auszuschli­eßen, dass irgendwann auch Schulamtsb­ereiche neu geordnet werden. Dann könnten sich auf dem kurzen Weg zwischen Buttelsted­t und Buttstädt für Lehrer plötzlich bürokratis­che Hürden aufbauen.

Etwas Licht ins Dickicht brachten den Schülern Gespräche mit Landespoli­tikern. Nachdem am 13. März Frank Kuschel, kommunalpo­litischer Sprecher der Linken im Landtag, in Buttelsted­t zu Gast war, hatte sich gestern der Chef der Cdu-landtagsfr­aktion, Mike Mohring, angesagt. „Herr Mohring hat offen mit uns geredet, klang ehrlich dabei und war auch ganz lustig“, sagte Maximilian (14) aus Haindorf. „Und er hat sich bemüht, uns das Thema einfach zu erklären“, pflichtete ihm Armin bei.

Für den, der in Regierungs­verantwort­ung steht, plauderte es sich offenbar etwas weniger unbeschwer­t als für den Opposition­sführer. „Herr Kuschel hat über die Hälfte der Unterricht­sstunde selbst geredet, bevor wir zu Wort kamen“, merkte Maximilian an. „Und er hat versucht, all das zu widerlegen, was wir kritisch sehen“, ergänzte Celina.

Eines vollbracht­en dennoch beide Politiker in Buttelsted­t. „Die Gebietsref­orm ist ein richtig spannendes Thema und überhaupt nicht langweilig“, konnte Armin gestern behaupten.

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Für Armin aus Leutenthal, Maximilian aus Haindorf, Celina aus Daasdorf und Lehrerin Ramona Blaubach ist die Gebietsref­orm kein Buch mehr mit sieben Siegeln. Foto: Jens Lehnert

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