Die Detektive der EU
Die Brüsseler Behörde „Olaf“deckt Betrugsfälle auf und überprüft die Verfehlungen von Offiziellen. Auch Spd-kanzlerkandidat Martin Schulz ist im Visier
Brüssel. Thorsten Röglin ist ein europäischer Held. Läuft alles gut, wird er bald einen Betrugsfall aufdecken und helfen, einen Schaden in Höhe von 50 Millionen Euro zulasten des Steuerzahlers zu reparieren. Mit viel Applaus kann er aber nicht rechnen. Der Mann ermittelt für „Olaf“, das Europäische Betrugsbekämpfungsamt, eine Einrichtung, deren Nützlichkeit größer als ihre Bekanntheit ist.
Die Abkürzung steht für den französischen Titel „Office de Lutte Anti-fraude“. Das Brüsseler Amt soll Machenschaften zum Nachteil der Eu-kasse aufdecken. Dazu gehört etwa, dass der britische Zoll jahrelang auf Import-schuhe und -Kleidung aus China zu wenig Zoll erhoben und so Verluste von zwei Milliarden Euro angerichtet hat. Die Fahnder untersuchen auch Verfehlungen von Eu-offiziellen, etwa ob Martin Schulz als Parlamentspräsident unzulässig Gefolgsleute begünstigt hat.
Es sind Fälle von Gewicht, aber ohne Krimi-qualität – hier wird niemand abgeführt. Erfolgsmeldungen beschränken sich auf dürre Mitteilungen, der Fall xy sei abgeschlossen.
Hauptkommissar Röglin, 52, ist seit 2013 dabei, abgestellt vom Betrugs- und Korruptionsdezernat des Landeskriminalamts Berlin. Die Internationalität habe ihn nach Brüssel gezogen: „Man ermittelt an verschiedenen Orten, in unterschiedlichen Ländern.“
Seine Abteilung kümmert sich um Forschungsförderung, mit 80 Milliarden Euro im Finanzrahmen 2014–20 einer der größten Posten im Eu-haushalt – verlockend für unsaubere Geschäftemacher. Ein halbes Dutzend Mal im Jahr geht Röglin Spuren vor Ort nach, prüft bei Subventionsempfängern, ob abgerechnete Leistungen auch erbracht wurden. Hauptarbeitsplatz aber ist Brüssel. Nur drei der 420 „Olaf“-mitarbeiter sind fest im Ausland stationiert: In Dubai, Kiew und Shanghai. Dort lohnt sich die systematische Kontrolle, ob mit den Euhilfen an Drittländer Schindluder getrieben wird. Ansonsten haben es die Detektive vorwiegend mit Abrechnungen, Überweisungen und Dateien zu tun.
Den Ermittlungen ist ein enger Rahmen gesteckt. „Das ist schon ein Nachteil. Für Befragungen brauche ich eine rechtsverbindliche Genehmigung. Ich muss fragen: Sind Sie einverstanden? Können Sie mir die Unterlagen geben? Wir können die Leute nicht zur Aussage zwingen … Als Ermittler hätte ich gern mehr Ermittlungsbefugnisse“, findet Röglin.
„Olaf“sei strukturell geknebelt, sagt die Europa-abgeordnete Ingeborg Gräßle (CDU). Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des Euparlaments kritisiert Behördenchef Giovanni Kessler, wirft ihm Selbstherrlichkeit und Kontrollsucht vor. Der Italiener habe die Sichtung einlaufender Anzeigen und Hinweise in einer Abteilung zentralisiert, was zum Bearbeitungsstau führe.
Laut Gräßle dauert der „Olaf“-vorlauf im Schnitt 36 Monate. „Da droht Verjährung – die Chance ist groß, dass man von einem Fall nie wieder hört, wenn er an die nationalen Behörden übergeben wurde.“Die sind für den Vollzug zuständig – Geld wieder eintreiben, eventuell auch Strafen verhängen.
Die Vorprüfung in Sachen Schulz läuft noch. Es geht um den Vorwurf, der Parlamentspräsident habe einem Mitarbeiter regelwidrig Reisespesen und Tagesgelder zugeschanzt. Ob es zu Ermittlungen kommen wird, ist fraglich. „Wir befassen uns mit Betrug“, heißt es im Hause, „aber nicht alles, was politisch fragwürdig ist, ist schon Betrug.“