Schramm warnt vor „französischen Verhältnissen“
Vor dem Hintergrund eines erstarkenden Antisemitismus in ganz Europa hat der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, vor „französischen Verhältnissen“gewarnt. Deutschland müsse alles unternehmen, damit nicht, wie tausendfach in Frankreich, Juden aus Angst um ihre Zukunft nach Israel übersiedelten, sagte er bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages des Novemberpogroms von 1938 gestern im Erfurter Landtag. Hoffnung machten ihm dabei die „zahlreichen Demokraten“im Land, aber „es könnten ein paar mehr sein“.
Die harmlos als „Kristallnacht“bezeichneten Übergriffe auf Juden und ihre Synagogen, Wohnungen und Geschäfte hätten 1938 den Übergang von Ausgrenzung und Diskriminierung hin zu Terror und Mord markiert. Von den fünf Toten im Zuge des Pogroms in Erfurt bis zu den sechs Millionen Toten am Ende des Hitler-Regimes sei „der Weg relativ kurz“gewesen, so Schramm. Die Gesellschaft habe den Terror gegen die Juden damals widerspruchslos hingenommen.
Auch heute müssten Juden in Thüringen wieder Beleidigungen und Angriffe auf ihre Einrichtungen ertragen, der letzte davon nach Schramms Angaben erst am Donnerstag auf den jüdischen Friedhof in Sondershausen. Wie in der Nazizeit reagierten viele Menschen darauf wieder mit „Schweigen, Wegschauen und heimlicher Zustimmung“. Deshalb müsse die Erinnerung an den 9. November 1938 als „Auftakt zum Massenmord“wachbleiben. (dpa)