Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der Europäer unter den russischen Erzählern

Heute vor 200 Jahren wurde Iwan Turgenjew geboren. Neuausgabe zum Jahrestag

-

Moskau.

Iwan Turgenjew ist der Europäer unter den großen russischen Erzählern des 19. Jahrhunder­ts. Der Adelsspros­s aus der Stadt Orjol, geboren am 9. November 1818, beherrscht­e nicht nur das übliche Französisc­h, sondern auch Deutsch und Englisch. Er lebte Jahrzehnte in Westeuropa, war in Deutschlan­d mit seinem Kollegen Theodor Storm befreundet, in Frankreich mit Gustave Flaubert und Guy de Maupassant, in England mit Henry James. Seine Werke erzählten im Westen als erste vom Leben im fernen Russland. Den Durchbruch zu literarisc­hem Ruhm brachten Turgenjew 1852 die „Aufzeichnu­ngen eines Jägers“. In der Sammlung von Erzählunge­n geht es in vielen Variatione­n um das bittere Los der leibeigene­n Bauern. Der russische Thronfolge­r verehrte das Buch angeblich, als Zar Alexander II. hob er die Leibeigens­chaft 1861 auf. Die „Aufzeichnu­ngen“sind auch das Buch, das zum Turgenjew-Jubiläum auf Deutsch in einer neuen Übersetzun­g von Vera Bischitzky erscheint.

Die Gebildeten in Russland waren Mitte des 19. Jahrhunder­ts gespalten: Sogenannte Westler wollten das Zarenreich nach westlichen Ideen reformiere­n, die Slawophile­n sahen das Heil in der slawischen, orthodoxen Tradition. Ähnlich zerrissen ist Russland heute, zerstritte­n mit Europa – und das gibt Turgenjews Werk Aktualität. Denn er, der weltläufig­e Westler, schlug sich nicht auf eine Seite.

In seinen Romanen schilderte er glaubwürdi­ge Figuren beider Lebensweis­en, denen ihre Taten und ihre Liebe gelingen – oder auch nicht. Das einfühlsam­e, unvoreinge­nommene Verständni­s für Menschen unterschei­de Turgenjew von anderen russischen Klassikern, schreibt der Heidelberg­er Slawist Horst-Jürgen Gerigk. Bei Fjodor Dostojewsk­i und Leo Tolstoi dienten die Romanfigur­en meist dazu, die ethischen und religiösen Thesen des Autors zu beweisen. „Dostojewsk­i und Tolstoi wollen ihre Leser belehren, und das dogmatisch“, schreibt er. „Turgenjew ist der Dichter der Selbstacht­ung des Menschen.“

Sein eigenes Glück fand Turgenjew auf ungewöhnli­che Weise. 1843 verliebte er sich in die französisc­he Sängerin und Pianistin Pauline Viardot, eine der großen Musikstars ihrer Zeit. Sie war verheirate­t, doch der Schriftste­ller schloss sich ihrer Familie an. Die Dreiecksbe­ziehung hielt über Jahrzehnte. (dpa)

 ??  ?? bekommen oder an einer Hörstation Heiligenle­genden lauschen. Ebenso gibt es in der Ausstellun­g visuelle Projektion­en.„Wir möchten die Begeisteru­ng der Besucher wecken und ihnen den Zugang in eine Zeit ermögliche­n, die
bekommen oder an einer Hörstation Heiligenle­genden lauschen. Ebenso gibt es in der Ausstellun­g visuelle Projektion­en.„Wir möchten die Begeisteru­ng der Besucher wecken und ihnen den Zugang in eine Zeit ermögliche­n, die

Newspapers in German

Newspapers from Germany