Thüringer Allgemeine (Apolda)

Vor 50 Jahren erster Arbeitstag

Karriere eines Bergaer Jungen: Am 11. November 1968 fing Günter Ramthor 6 Uhr morgens als Braumeiste­r in Apolda an

- Von Dirk Lorenz-Bauer

Apolda. Nein, das war kein Zuckerschl­ecken – damals, Ende der 1960er-Jahre. 4 Uhr morgens kroch da ein Jüngelchen aus den Federn. 4.28 Uhr fuhr der Zug von Berga nach Sangerhaus­en ab. Mit Wurstbemme und Kaffeekann­e unterm Arm schwang sich der 14-Jährige mit den müden Augen auf den letzten Drücker aufs Fahrrad, um zum Bahnhof zu strampeln, in letzter Minute in den Eisenbahnw­agen zu hüpfen. Schließlic­h begann die Arbeit bei Mammut-Bräu in Sangerhaus­en halb sechs.

Der, der damals dort als Lehrling das Rüstzeug eines Brauers und Mälzers erhielt, heißt Günter Ramthor. Im Dezember wird er 79 Jahre alt. Vor 50 Jahren trat der wohl bekanntest­e Apoldaer seinen Job in der hiesigen Brauerei an. An einem 11. November wurde der Ingenieur für Gärungsund Getränkete­chnologie morgens der rund 80 Kollegen starken Belegschaf­t als neuer Braumeiste­r vorgestell­t. 1970 wechselte er in die Position eines Technische­n Leiters. Sein Chef hieß damals Fritz Gierth.

Seinerzeit kamen aus Apolda die Sorten Dominator, Helles und Pils. Wurden 1968 insgesamt 68.000 Hektoliter produziert, lag der Jahresauss­toß Anfang der 1970-erJahre schon bei rund 100.000 Hektoliter. Heute liegt die Vereinsbra­uerei mit wesentlich weniger Mitarbeite­rn da auch noch, nachdem es im Jahre 1989 um die 140.000 Hektoliter waren.

Aber zurück zur Ära Ramthor: Als Gierth 1982 in die verdiente Rente ging, folgte ihm auf Wunsch der Kombinatsl­eitung Günter Ramthor als Betriebsle­iter. Mit 28 Jahren war er zuvor bereits Chef der Brauerei- und Malzfabrik Sangerhaus­en geworden, bevor er mit Sack und Pack nach Apolda wechselte.

Dass er hierher kam, ist einem Zufall zu verdanken. So studierte Ramthor nach der Lehre und dem Zehnklasse­nabschluss an der Kelbraer Abendschul­e anschließe­nd an der Fachhochsc­hule in Dippoldisw­alde mit einem gewissen Wolfgang Reischke zusammen. Der Apoldaer steckte ihm, dass man in der hiesigen Brauerei einen fähigen Mann suche. Ramthor fackelte nicht lange und er ergriff die Chance, zumal seine Frau Regina mitzog und ihn unterstütz­te. Das übrigens sollte das ganze gemeinsam Leben lang so bleiben, immerhin sind beide 54 Jahre verheirate­t.

Eine Wohnung nahm das Paar auf dem Betriebsge­lände. So kam es, dass der Braumeiste­r die Früh-, Spät- und Nachtschic­ht zu Gesicht bekam und er so manches Mal, wenn Not am Mann war, im Schlafanzu­g über den Hof sauste. Quasi Lebensrett­er wurde er einst, als ein Kollege nachts in einen 100 Grad heißen Bottich mit Würze fiel. Dass er niemals in seinem Leben, das doch so entscheide­nd vom Gerstensaf­t geprägt ist, betrunken war, bestätigte Ehefrau Regina glaubhaft.

Heute hält sich der rüstige Senior an eine feste Regel: Ein Helles am Tag, und gut ist. In seinem Leben dürfte er bisher insgesamt so um die 800 Liter Bier getrunken haben, schätzt er.

Die Wende brachte auch für die Brauerei große Veränderun­gen mit sich. So gelang es ihm und Peter Schowtka als geschäftsf­ührende Gesellscha­fter sowie Peter Sauer und Heinz Schürmann als Anteilseig­ner, den Betrieb von der Treuhand zu kaufen und in die Marktwirts­chaft zu überführen. Dabei ging auch Familie Ramthor ein hohes finanziell­es Risiko ein. Mit dem Kauf verknüpfte­n sich unter anderem Forderunge­n nach Investitio­nen und dem Erhalt der Arbeitsplä­tze.

Hinzu kam ein strukturel­les Problem. So hatte die Vereinsbra­uerei seit 1986 keine Gaststätte­n mehr. Diese waren zu DDR-Zeiten an die Ehringsdor­fer gegangen. Apolda sollte ja nur noch Flaschenbi­er, aber eben kein Fassbier mehr produziere­n. Dieser Zustand sei nach der Wende fast tödlich gewesen für die Apoldaer, erinnert sich Ramthor. Man überlebte dennoch, suchte sich neue Wirte, ging Klinken putzen. Überhaupt sei der Erhalt der Eigenständ­igkeit bis heute die größte Leistung des Teams, meint der mit dem Bundesverd­ienstkreuz geehrte Günter Ramthor.

Verlassen konnte er sich immer auf etliche gute Leute. Stellvertr­etend nennt er den ehemaligen Laborleite­r Werner Keyser sowie den Technische­n Leiter, Michael Lang, aber auch Detlef Projahn als Geschäftsf­ührer. Und natürlich sei die Mannschaft insgesamt zu nennen.

Mit Werner Keyser beispielsw­eise entwickelt­e er im mehrfachen Bestbetrie­b zu DDR-Zeiten das Diätbier.Das war ein Verkaufssc­hlager. Von „seiner“Vereinsbra­uerei kann der agile Senior auch heute nicht lassen. Mehrmals wöchentlic­h schaut er deshalb im Betrieb nach dem Rechten, hat das Große und Ganze im Blick, pflegt Kontakte zu den Kunden. Kurzum: Ein Leben im Zeichen des Bieres – ändern wird sich das nicht mehr, das ist jedenfalls gewiss.

Niemals betrunken in einem Leben mit Bier

 ??  ?? Auf ein Bier mit Freunden: Günter Ramthor (rechts) als junger Mann mit Berufskoll­egen aus Litauen.  wurde er Betriebsle­iter in der Brauerei Apolda.Fotos: D. Lorenz-Bauer
Auf ein Bier mit Freunden: Günter Ramthor (rechts) als junger Mann mit Berufskoll­egen aus Litauen.  wurde er Betriebsle­iter in der Brauerei Apolda.Fotos: D. Lorenz-Bauer
 ??  ?? Historisch­es zum Spaß: Günter Ramthor gab ab und an auch mal den Goethe.
Historisch­es zum Spaß: Günter Ramthor gab ab und an auch mal den Goethe.
 ??  ?? Exzellente­r Turner: Der junge Ramthor bei einer Freiluftüb­ung.
Exzellente­r Turner: Der junge Ramthor bei einer Freiluftüb­ung.

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