Herzpatient: vor OP zu Hausarzt
„Ich begrüße es, dass wir diese Studie haben“, sagt Barbara Sonntag vom Hamburger Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und selbst an einer großen ICSI-Studie beteiligt, deren erste Ergebnisse im kommenden Jahr erwartet werden. Genauso wichtig wie die Schweizer Erkenntnisse ernst zu nehmen und weitere Forschung auf diese aufzubauen, sei es aber auch, „jetzt keine Panik zu verbreiten“, so Sonntag. Zwar sei die Studie methodisch tadellos und auch die Ergebnisse um Störfaktoren bereinigt worden, doch wegen der sehr kleinen Fallzahl hält die Medizinerin allgemeine Schlussfolgerungen für schwierig.
Wie auch einer der Schweizer Forscher, Kardiologe Urs Scherrer, betont Sonntag jedoch, dass die neue Studie noch einmal verdeutliche, wie wichtig es ist, dass Familien mit dem Thema künstliche Befruchtung offen umgehen und die Eltern den betroffenen Kindern nicht verheimlichen, wie sie gezeugt wurden. „Bluthochdruck sollte dabei als möglicher Risikofaktor natürlich im Hinterkopf behalten werden“, so die Reproduktionsmedizinerin.
Ein offener Umgang mit IVF und ICSI ist auch für Renate Oberhoffer, Kinder- und Jugendärztin mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie, eine wichtige Botschaft für Betroffene. Gleichzeitig seien die Ergebnisse aus der Schweiz ein Signal, das Thema künstliche Befruchtung hinsichtlich der Langzeitwirkungen für das Kind kritisch zu hinterfragen. „Für mich sind sie als Warnschuss in Richtung Reproduktionsmedizin zu verstehen.“Oberhoffer weist zudem auf Studien hin, die ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko bei IVF-Kindern zeigen, unter anderem am Herzen. „Woran das jedoch genau liegt, das ist schwer zu sagen“, so die Expertin für kardiovaskuläre Prävention für Kinder.
Die Schweizer Forscher beispielsweise vermuten, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch epigenetische Faktoren entsteht – also eine An- oder Abschaltung von einzelnen Genen während des Heranwachsens des Embryos. Diese könnte beispielsweise durch die Nährmedien ausgelöst werden, in denen die künstlich befruchteten Zellen reifen. „Diese sind dem Fruchtwasser zwar gut nachempfunden“, erklärt Oberhoffer, „aber eben nicht identisch.“Zudem wisse man aus der Forschung, dass die Umgebung des Fötus in der Schwangerschaft eine bedeutsame Wirkung auf die Entwicklung der Kinder habe, die sich noch bis ins Erwachsenenalter hinein zeige. Auch Kinder von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes beispielsweise hätten höhere gesundheitliche Risiken – vor allem im Bereich des Stoffwechsels und des Herz-Kreislauf-Systems, so die Kinderkardiologin. „Gleiches gilt für Frühgeborene, da ihr Körper nicht im Mutterleib zu Ende reifen konnte und sie zu früh den Bedingungen außerhalb des Mutterleibs ausgesetzt sind.“
Außerdem müsse man im Hinterkopf haben, dass man im Falle einer künstlichen Befruchtung immer Kinder betrachte von Eltern, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterzogen haben, so Sonntag. Diese seien häufig bereits älter und brächten eine gesundheitliche Vorgeschichte mit, die ihnen eine natürliche Kindszeugung verwehre oder zumindest erschwere. Auch dies könne sich – unabhängig von IVF oder ICSI – auf die Gesundheit der Kinder auswirken.
Neben Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden unter anderem auch die Auswirkungen auf die Psyche künstlich gezeugter Kinder untersucht. Eine große dänische Studie aus dem Jahr 2014 beispielsweise zeigte ein signifikant höheres Risiko für psychische Krankheiten bei IVF-Kindern. Ob die IVF oder aber andere Faktoren die Ursache hierfür war, blieb aber offen, erklärt Anette Kersting, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig.
„Die Autoren vermuteten neben anderen möglichen Gründen die seelische Belastung der Mutter durch die Fertilitätsbehandlung als Auslöser.“Andere Studien seien später gar zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen. „Die Studienlage ist mit Blick auf IVF und ICSI sehr heterogen, aktuell deute aber nichts auf erhöhte Risiken mit Blick auf die psychische Entwicklung der Kinder hin“, sagt Kersting. In anderen Bereichen sind die Auswirkungen auf die spätere Gesundheit der Kinder, die in der Petrischale gezeugt wurden, kaum oder noch gar nicht untersucht. „Es ist gut, dass jetzt, wo die Kinder älter werden, immer mehr Parameter erhoben werden und immer mehr Daten zur Verfügung stehen“, sagt Reproduktionsmedizinerin Sonntag.
Auf eine künstliche Befruchtung beispielsweise wegen des möglichen Bluthochdruckrisikos zu verzichten, auch wenn dies der womöglich letzte Weg sei, sich den Wunsch nach eigenen Kindern zu erfüllen, hält Sonntag für übertrieben. Schließlich setzten sich Menschen auch vielen anderen Gefahren wissentlich aus – beispielsweise dem Rauchen, Zuckerkonsum oder Bewegungsmangel. Außerdem zeigen die vorhandenen Studien laut Sonntag auch: „Der Großteil der IVF- und ICSI-Kinder entwickelt sich normal und ist gesund.“
Frankfurt.
Patienten mit Vorhofflimmern sollten vor kleineren wie größeren Operationen auch ihren Hausarzt einbeziehen. Darauf weist die Deutsche Herzstiftung hin. Denn bei diesen Herzrhythmusstörungen werden Betroffene zum Schutz vor Embolien und Schlaganfällen in der Regel mit Blutgerinnungshemmern behandelt. Diese müssten deshalb rechtzeitig vor der Operation abgesetzt werden. Der Hausarzt oder der Kardiologe könne den operierenden Spezialisten hier wichtige Hinweise zur Patientengeschichte geben. (jnm)
Seelische Belastung der Mutter durch Behandlung