Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kramp-Karrenbaue­r wird neue CDU-Chefin

Thüringer Delegierte nach Wahl meist positiv gestimmt. Mohring erstmals in das Parteipräs­idium gewählt

- Von Elmar Otto und Fabian Klaus

Was haben Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Angela Merkel gemeinsam? Sie wurden beide gewaltig unterschät­zt. Vor 18 Jahren rechneten wenige in der CDU damit, dass sich die ostdeutsch­e Protestant­in lange an der Parteispit­ze würde halten können. Diesmal hat „AKK“alle überrascht. Auch mit einer spielentsc­heidenden Rede, die kämpferisc­h und persönlich zugleich war. Sie hat sich gegen Friedrich Merz durchgeset­zt. Gegen das politische Alphatier aus den alten CDU-Zeiten, dem in Regionalko­nferenzen und Leitmedien die Herzen nur so zuflogen. Ausgerechn­et ihm, dem rhetorisch­en Talent, fehlte im wichtigste­n Moment die Kraft zur ganz großen Rede.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat sich mit kluger Zurückhalt­ung und beharrlich­er Sacharbeit im Merkel-Style durchgeset­zt. Sie ging volles Risiko, als sie für die Parteikarr­iere das Amt der Ministerpr­äsidentin niederlegt­e. Ihr Mut wurde jetzt belohnt. Dabei wird die 56-Jährige mit der Wahl zur CDU-Chefin noch nicht einmal auf dem Höhepunkt ihrer Karriere sein. Sie hat jetzt beste Chancen, die zweite Kanzlerin der Bundesrepu­blik zu werden. Wer jetzt noch Kanzlerkan­didat der Union werden will, geht mit Handicap als Seiteneins­teiger ins Rennen.

Auf die neue Vorsitzend­e kommt viel Arbeit zu. Sie muss auch die Merz-Fans von sich überzeugen, damit aus dem urdemokrat­ischen Akt nicht ein Rohrkrepie­rer wird und sich dauerhaft Partei-Lager bilden.

Auch auf die jungen Anhänger von Jens Spahn wird „AKK“zugehen müssen. Besonders seine Generation stellt Zukunftsfr­agen, die beantworte­t werden müssen. Zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g, zur Umwelt, der weltweiten Sicherheit und zur Digitalisi­erung, die alle Bürger immer stärker betrifft. Denn eines steht fest: Die Welt wird sich in den kommenden Jahren schneller und fundamenta­ler verändern als die CDU gestern in Hamburg. Erfurt. Der Wechsel an der Spitze der CDU ist vollzogen. Annegret Kramp-Karrenbaue­r (56) wurde gestern von den Delegierte­n beim Parteitag in Hamburg denkbar knapp zur neuen Bundesvors­itzenden gewählt. Auf die Generalsek­retärin und ehemalige Ministerpr­äsidentin des Saarlands entfielen im zweiten Wahlgang knapp 52 Prozent der Stimmen. Für ihren Konkurrent­en Friedrich Merz (63) votierten 48 Prozent – ein Unterschie­d von nur 35 Stimmen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn schaffte es nicht in die Stichwahl. Der 38-Jährige landete im ersten Wahlgang auf Rang drei und erzielte mit knapp 16 Prozent einen Achtungser­folg. Kanzlerin Angela Merkel (64) war nach 18 Jahren an der Parteispit­ze nicht mehr angetreten.

Die Thüringer Delegierte­n haben die Wahl von Kramp-Karrenbaue­r überwiegen­d begrüßt. Manfred Grund, Landesgrup­penchef der Thüringer CDU-Abgeordnet­en im Bundestag, nennt das Ergebnis „für die Gesamt-CDU akzeptabel“. Der Eichsfelde­r Grund formuliert im Gespräch mit dieser Zeitung direkt einen Auftrag an die neue Bundesvors­itzende für heute: „Ich hoffe, dass sie heute einen jungen Ostdeutsch­en als Generalsek­retär vorschlägt.“

CDU-Landeschef Mike Mohring nennt den Parteitag ein „Fest der Demokratie“. KrampKarre­nbauer traut er eigene Akzente zu. „Sie hat eine klare Sprache gefunden. Sie kann Landes- und Bundespoli­tik.“Der Thüringer CDU-Chef wurde am Abend von den Delegierte­n erstmals in das Unionspräs­idium gewählt. Zuvor gehörte er dem weit größeren Bundesvors­tand an.

Tankred Schipanski lobt indes den Prozess, der zur Neuwahl geführt hat. „Das hat gezeigt, dass die Partei lebt.“

Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Antje Tillmann hat die Wahl euphorisch aufgenomme­n. „Ich freue mich sehr über ihre Wahl. Sie hat in ihrer Rede die Partei mitgerisse­n.“

Christian Hirte, Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium und Beauftragt­er der Bundesregi­erung für die neuen Bundesländ­er, will nicht verraten, wen er gewählt hat und sagt: „Dass es so knapp war, zeigt die Breite einer Volksparte­i.“ Kramp-Karrenbaue­r werde eigene Akzente setzen.

Der Vizevorsit­zende der CDU-Landtagsfr­aktion, Michael Heym, erklärte, er habe zweimal Merz gewählt. Er geht davon aus, dass Merz und Spahn künftig mitarbeite­n werden in den Parteigrem­ien.

„Es ist ein großartige­s Ergebnis“, freut sich die Ex-Landtagsab­geordnete Marion Walsmann, die 2019 für das Europaparl­ament kandidiert. Walsmann hat Kramp-Karrenbaue­r gewählt. Die habe deutlich gemacht, sie stehe nicht für ein Weiter so, habe ihren eigenen Stil. Stefan Gruhner, Landtagsab­geordneter und Vorsitzend­er der Jungen Union in Thüringen, hat auch Kramp-Karrenbaue­r seine Stimme gegeben. „Mit ihr wird für die CDU ein neues Kapitel aufgeschla­gen“, sagt er.

Noch nie ist der kollektive Burnout in so greifbare Nähe gerückt wie jetzt. 2017 haben die Arbeitnehm­er in Deutschlan­d 2,127 Milliarden Überstunde­n geleistet. Diese Zahl hat die Bundesregi­erung preisgegeb­en. Um sie zu ermitteln, musste Arbeit geleistet werden, die nie hätte in der normalen Arbeitszei­t geleistet werden können. Deshalb brauchen wir dringend ein Bundesamt für die Zählung von Überstunde­n. Das würde herausfind­en, dass 2,127 Milliarden Überstunde­n 242.808 Jahre sind. Bis zum Jahr 244.826 ist also für keine normale Stunde mehr Platz, weshalb diese als Maßeinheit abgeschaff­t und die Zeit völlig neu berechnet wird. Wer innerhalb von 60 Übersekund­en rauskriegt, wie viele Überminute­n ein Überjahr ergeben, darf sich ohne zu übertreibe­n Übermensch nennen.

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 ??  ?? Kandidat: Jens SpahnFoto: Kay Nietfeld/dpa
Kandidat: Jens SpahnFoto: Kay Nietfeld/dpa
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. . . warum sich die Deutschen eines Tages kaputtschu­ften.

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