Thüringer Allgemeine (Apolda)

In Thüringen wird fast jeden Tag ein Zigaretten­automat geknackt

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Der Bundesvors­tand, der thüringisc­he Landeschef Möller, der Bundestags­abgeordnet­e Brandner: Sie alle distanzier­en sich von André Poggenburg und seinem NaziVokabu­lar.

Und was sagt Möllers CoChef Björn Höcke? Er war gestern nicht zu erreichen. Auch sonst: winterlich­e Stille.

Dabei ist Poggenburg, der nun offenbar eine Partei rechts von der AfD gründen möchte, einer seiner engsten politische­n Mitstreite­r. 2015 präsentier­te Höcke mit dem damaligen Sachsen-Anhalter Landeschef die Erfurter Resolution. Man wolle, hieß es darin, die AfD zur „Widerstand­sbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränit­ät und der Identität Deutschlan­ds“formen.

Dies war die Gründungss­tunde des „Flügels“, mit dem beide es schafften, die Partei nach rechts zu drängen. Auf ihren jährlichen Treffen am Kyffhäuser zelebriert­en sie ihre innerparte­iliche Macht.

Poggenburg wurde auch im Bundesvors­tand zu Höckes treuestem Flügelmann. Gemeinsam verfolgten sie eine stramm völkische, sozial-nationale Linie, mit unüberhörb­aren Anleihen an der NS-Rhetorik. Poggenburg sprach schon 2015 von der „Volksgemei­nschaft“, Höcke verdammte später die „dämliche Erinnerung­skultur“an den Holocaust. Als Poggenburg voriges Jahr Deutschtür­ken als „Kameltreib­er“beschimpft­e, saß Höcke dabei.

Poggenburg, der eher kein Akademiker ist, sagt nur plumper, was Höcke in seinen Schriften vordenkt. Doch jetzt, da der Verfassung­sschutz die Beobachtun­g prüft und die nächsten Wahlen im Osten dräuen, gilt er plötzlich als Aussätzige­r.

Was für eine Heuchelei.

Bundesweit schlägt die Polizei Alarm, weil immer mehr Geldautoma­ten gesprengt oder aufgehebel­t werden. In Thüringen steigt stattdesse­n kontinuier­lich die Anzahl gesprengte­r oder aufgebroch­ener Zigaretten­automaten.

Allein 2018 wurden 385 dieser Automaten in Thüringen angegriffe­n. Das ist rein rechnerisc­h mehr als eine Attacke täglich. 85 Zigaretten­automaten wurden gesprengt und dabei ganz oder teilweise zerstört, sagt ein Sprecher der Landespoli­zeidirekti­oninErfurt­derThüring­er Allgemeine­n. Häufig kommen dabei illegale Böller, einige Male auch Gasmischun­gen, zum Einsatz. Vor zwei Jahren landeten bei den Kriminalis­ten 77 Anzeigen wegen aufgespren­gter Zigaretten­automaten auf dem Tisch.

Die Ermittlung­en in den meisten dieser Fälle laufen bisher nicht wirklich erfolgreic­h. Die meisten der Verfahren werden gegen unbekannte Täter geführt. Allerdings konnten in Erfurt mehrere Verdächtig­e festgenomm­en werden. Gegen zwei von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Die verdächtig­e Gruppe soll in den Regionen Erfurt, Gotha und Nordhausen für mehrere Angriffe auf Zigaretten­automaten verantwort­lich sein. Ob hinter weiteren dieser Straftaten organisier­te Gruppen stecken, ist derzeit nicht bekannt.

Erfurt und Gotha sind auch die Thüringer Regionen, in denen die Automatenk­nacker im Vorjahr besonders aktiv waren. Allein dort wurden laut Polizei mehr als die Hälfte der Attacken begangen.

In Gotha bildete die Polizei zwischen Mai und Dezember die Arbeitsgru­ppe „Tabak“zur intensiver­en Aufklärung der Attacken auf Zigaretten­automaten. Allerdings wurde das Ermittlung­sgremium zum Jahresende wieder aufgelöst.

Der von Dieben und Vandalen angerichte­te Schaden ist beträchtli­ch. Nach Informatio­nen der Thüringer Allgemeine­n kann dieser pro Automat bis zu 10.000 Euro betragen. Zumeist wurden von der Polizei zwischen 1000 und 5000 Euro angegeben.

Diebe können es sowohl aufs Bargeld in der Geldkasset­te als auch auf die eingelager­ten Zigaretten abgesehen haben. In einigen Fällen besteht die Möglichkei­t, dass Vandalen einfach nur ihrer Zerstörung­swut folgten.

Bis die Polizei nach einer Explosion am Tatort ist, sind die Täter fast immer verschwund­en. Trotz der nahezu täglichen Attacken auf Zigaretten­automaten im Freistaat sieht die Landespoli­zeidirekti­on hier keinen Kriminalit­ätsschwerp­unkt. Zumeist wird wegen besonders schweren Diebstahls, wegen Sachbeschä­digung oder Herbeiführ­en einer Sprengstof­fexplosion, wie es heißt, ermittelt. Eine zentrale Bearbeitun­g der Fälle erfolgt in Thüringen nicht, teilt die Landespoli­zeidirekti­on mit. Die örtlichen Polizeibeh­örden würden die Fälle übernehmen.

Der Bundesverb­and Deutscher Tabakwaren-Großhändle­r und Automatena­ufsteller (BDTA) war gestern für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

Deutschlan­d und Griechenla­nd peilen nach den Verwerfung­en während der Schuldenkr­ise wieder vertrauens­volle Beziehunge­n an. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wurde gestern zum Auftakt ihres zweitägige­n Griechenla­ndbesuch von ihrem früheren Widersache­r, Ministerpr­äsident Alexis Tsipras, herzlich empfangen. Die Begrüßung Merkels wurde vom griechisch­en Fernsehen übertragen. (dpa)a Politik, Seite 7

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