Das Liebes-Glück des Gehilfen
Die Lautten Compagney spielt Joseph Haydns Oper „Der Apotheker“auf Schloss Kochberg
Das Lob der Provinz stammt aus berufenstem Munde: Wenn sie gute Opern hören wolle, soll Österreichs Kaiserin Maria Theresia anno 1773 befunden haben, so gehe sie nach Esterháza. Der dortige Landesherr, Prinz Nikolaus, wird gewusst haben, wem er das Kompliment vornehmlichst verdankte: seinem Kapellmeister Joseph Haydn. Der komponierte emsig und nicht zuletzt eine Reihe von Opern, deren erste, „Lo Speziale“(Der Apotheker, 1768), nun auf Schloss Kochberg, dem Landsitz der Frau von Stein, in historischer Praxis wiederaufgeführt wurde. Und trotz milden Landregens stellte sich dort das Fluidum eines Feudal-Idylls, ein Hauch von Esterháza, für das kleine, erlesene Publikum ein.
In Koproduktion mit Putbus, Stralsund und La Valetta (Malta) und gefördert vom Agrikulturministerium des Bundes hatte das Liebhabertheater Schloss Kochberg mit der Lautten Compagney aus Berlin allererste Kräfte der Alten Musik engagiert. Die produzierten, in minimaler Besetzung angeführt vom Lautenisten Wolfgang Katschner, ein herrlich rösches, klar durchhörbares, konturscharfes Klangbild und verliehen so der einfach-köstlichen Komödie nach Vorlage Carlo Goldonis herzhaften Schwung. Zumal die vier Solisten unter Nils Niemanns Regie im klassischen Stil und ebensolchen Kostümen auf der winzigen Bühne in angemessen komödiantischer Pointierung der Liebesaffären-Affekte agierten – ohne freilich je die gebührliche Distinktion aufzugeben. Der Plot der Typenkomödie im Stile der Commedia dell‘Arte scheint simpel, bietet jedoch erkleckliche Anlässe für das Zwerchfell stimulierende Turbulenzen: Drei Kerle buhlen um eine – so gar nicht naive – Jungfer, respektive um deren Mitgift. Unter ihnen mag der Apothekergehilfe Mengone das kleinste Licht sein, zumal er weder zum Draufgängertum noch zur Pharmazie begabt ist. Viel zu schüchtern, um sich zu bekennen, merkt er jedoch, dass die schöne Grilletta ein Auge auf ihn geworfen hat. So wächst er über sich hinaus und verdient am Ende den gerechten Lohn aufrichtiger Gefühle. Christian Pohlers verleiht dem Mengone einen fruchtig-farbigen Tenor und spielt, herrlich zaudernd und wägend, den gewieften Trottel.
Der ältliche Apotheker Sempronio (Cornelius Uhle, ein klar strukturierter Bariton) hat mit Sex nicht viel im Sinn. Der weltläufige Bürger, dessen Bildung sich in der eifrigen Lektüre der Zeitung (in zeitgenössischem, faksimilierten Exemplar) sowie dem Besitz einer Goldrandbrille und eines Globus dokumentiert, hätte aber praktische Verwendung für die Mitgift seines Mündels Grilletta und hat sich an dessen lebendiges Wesen als Haushaltsvorstand offenbar gern gewöhnt. Dagegen dringt der Edelmann Volpino, mit dem vorzüglichen Counter Georg Bochow besetzt, unter Vorwänden in Sempronios Geschäft ein und denkt unter seiner modischen Puderperücke wohl weniger an eine gültige (Mes-)Alliance als an ein quickes, galantes Abenteuer. Was für ein prächtiger Schnösel!
Grilletta durchschaut alle Drei mit ihrer natürlichen Weisheit des Herzens und versteht es mit emanzipiertem Geschick und dank Alessia Schumachers koloraturesker Finesse, ihren Herzbuben Mengone auf Trab zu bringen. Nach ein paar exotischen Verkleidungskapriolen der beiden jungen Bewerber – erst Notare, dann Türken – kommt ihre Sehnsucht zum Ziel. Alles gut, recht unterhaltsam und überaus stilvoll; dennoch würde man diese kleine, meisterliche Opernausgrabung unter die Petits riens rubrizieren, wäre sie nicht zu Kochberg so exemplarisch aus dem Geist ihrer Zeit wiedergeboren.
Hinter dem von 150 Händen beklatschten Erfolg steckte weit mehr Arbeit, als der Laie vermutet. Denn weite Teile der Partitur gingen bei einem Schlossbrand auf Esterháza für immer verloren. So fügten die Experten der Lautten Compagney eine Zwischenaktmusik aus Haydns „Isola disabitata“und im dritten Akt Arien aus „Il Mondo della Luna“ein, ließen Rezitative nachkomponieren und entlehnten den ideal passenden Türkischen Marsch vom Bruder Michael. Zudem spielte man mit umbesetzten Partien (statt in ursprünglicher Fassung mit je zwei Sopranen und Tenören) und in einer den kleinen Kochberger Akustik-Verhältnissen angemessenen Kammermusikvariante ohne Hörner.
Trotzdem sehen und hören wir diesen „Apotheker“als authentisch an. Denn es darf gewiss sein, dass Joseph Haydn ebenso verfahren wäre. Schade nur, dass Maria Theresia diesem fürstlichen Vergnügen nicht mehr beiwohnen konnte. Was hätte sie wohl über Kochberg gesagt ...?
Gleich drei Kerle stellen der schönen Grilletta nach