Eine Fußspitze zu viel
Bundesliga-Spitzenreiter FC Bayern kommt in Leipzig nicht über ein 0:0 hinaus – auch wegen eines Videobeweises
So einfach geht das nicht. Rein in den Teambus, abfahren – und DIE Szene des Spiels unkommentiert lassen? Nicht mit Uli Hoeneß. „Das ist der Witz des Jahres“, fluchte der Bayern-Präsident, als er eine Stunde nach dem 0:0 des Tabellenführers beim Meisterschaftsdritten RB Leipzig plötzlich wieder ausstieg – in der Hand sein Mobiltelefon, auf dem das Fußspitzenabseits von Bayern-Stürmer Robert Lewandowski vor dem vermeintlichen 1:0 von Leon Goretzka (50.) zu sehen war. Nach Rücksprache mit dem Videokollegen in Köln hatte Schiedsrichter Manuel Gräfe dem Treffer die Approbation verweigert.
Um Millimeter haben die Bayern deshalb die vorzeitige Entscheidung um die Meisterschaft einen Spieltag vor Schluss verpasst. Nicht, dass Gräfe falsch geurteilt habe. Hoeneß fand, Köln hätte schweigen müssen. Nur bei klaren Fehlentscheidungen, so die Richtlinie, sollen die Videoschiedsrichter eingreifen. Das allerdings, so der 67-Jährige, sei ja wohl nicht der Fall gewesen. Gräfe hatte den Treffer zunächst für legitim erklärt.
Man nahm es zur Kenntnis. Ein Skandal aber wurde nicht daraus. Auf Leipziger Seite äußerte sich lediglich Trainer Ralf Rangnick zu der Torszene. Der 60-Jährige stellte in Frage, ob sein Team „noch mal zurückgekommen wäre“nach diesem Rückstand. „Da hatten wir Glück. Niko Kovac, der neben ihm saß, nickte dazu. Das Abseits, so der Kroate, sei unstrittig. Er frage sich nur, wann denn „der richtige Zeitpunkt ist“, um das Replay am TV zu stoppen. Eine Zehntelsekunde früher oder später angehalten, und das Abseits wäre keines gewesen. Doch sei’s drum. Kovac, erklärter „Freund des Videobeweises“, fand, er habe auch ohne Tor eine „sehr gute Partie“gesehen. Von beiden Teams. „Eines Topspiels würdig.“Und mit den besseren Chancen für sein Personal: Serge Gnabry hatte zwei, (29., 39.), Franck Ribéry eine (83.), die letzte lag Robert Lewandowski vor dem rechten Fuß, der einen Freistoß hauchknapp neben den Pfosten setzte (89.). Auf Kovac hinterließ das Remis bei den seit 17 Spielen ungeschlagenen Sachsen deswegen keinen furchterregenden Eindruck. Dann eben in einer Woche. Es fehlt den Bayern (+52) aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber Borussia Dortmund (+35) nur ein Punkt zur Meisterschaft. Machbar, auch wenn der Gegner Eintracht Frankfurt heißt, aktuell Tabellenfünfter und Kovacs alter Klub. „Das Leben schreibt die schönsten Geschichten“sagte der Ex. „So eine Konstellation, habe ich mir sagen lassen, gab es zudem das letzte Mal vor 18 Jahren.“Er meinte damit die Last-Second-Meisterschaft der Bayern 2001 im Fernduell mit dem FC Schalke 04. „Wenn es am Ende wieder ein Happy End ist, kann ich damit leben, dass ich jetzt noch eine Woche warten muss.“
Und wenn nicht? Hängt Kovacs Zukunft bei den Bayern vermutlich an einem dünnen Faden. Sportchef Hasan Salihamidzic bekannte sich im ZDFSportstudio zwar zum Trainer („Er hat unsere volle Unterstützung“), dass der Kroate weiterarbeiten dürfe, war damit aber nicht gesagt. „Das werden wir sehen“, meinte der Bosnier und verwies auf die Zeit nach dem 25. Mai. Dann nämlich steht für die Bayern ja auch noch das Pokalfinale auf dem Plan.
Gegner ist dann wieder RB Leipzig, bei dem zumindest der Trainer nicht sicher war, was die Generalprobe an Erkenntnissen geliefert hat. Das 16. Zu-NullSpiel in dieser Saison war das Ergebnis „einer sehr guten Arbeit gegen den Ball.“Das Offensivspiel, mit nur einer vielversprechenden Tormöglichkeit durch einen Schuss von Marcel Halstenberg, der am langen Pfosten vorbeirauschte (76.), war dem 60-Jährigen allerdings zu fahrig. „Da haben wir viele falsche Entscheidungen getroffen“, resümierte Rangnick, der ebenfalls schon mal mit seinem Handy versucht hatte, die Fehlentscheidung eines Schiedsrichters nachzuweisen. Vergangene Spielzeit ist das gewesen. Im Pokal. Auch gegen die Bayern. Damals verlor RB das Duell nach Verlängerung 4:5.
Kovac-Team benötigt noch einen Punkt