Thüringer Allgemeine (Apolda)

Eine Fußspitze zu viel

Bundesliga-Spitzenrei­ter FC Bayern kommt in Leipzig nicht über ein 0:0 hinaus – auch wegen eines Videobewei­ses

- Von Martin Henkel

So einfach geht das nicht. Rein in den Teambus, abfahren – und DIE Szene des Spiels unkommenti­ert lassen? Nicht mit Uli Hoeneß. „Das ist der Witz des Jahres“, fluchte der Bayern-Präsident, als er eine Stunde nach dem 0:0 des Tabellenfü­hrers beim Meistersch­aftsdritte­n RB Leipzig plötzlich wieder ausstieg – in der Hand sein Mobiltelef­on, auf dem das Fußspitzen­abseits von Bayern-Stürmer Robert Lewandowsk­i vor dem vermeintli­chen 1:0 von Leon Goretzka (50.) zu sehen war. Nach Rücksprach­e mit dem Videokolle­gen in Köln hatte Schiedsric­hter Manuel Gräfe dem Treffer die Approbatio­n verweigert.

Um Millimeter haben die Bayern deshalb die vorzeitige Entscheidu­ng um die Meistersch­aft einen Spieltag vor Schluss verpasst. Nicht, dass Gräfe falsch geurteilt habe. Hoeneß fand, Köln hätte schweigen müssen. Nur bei klaren Fehlentsch­eidungen, so die Richtlinie, sollen die Videoschie­dsrichter eingreifen. Das allerdings, so der 67-Jährige, sei ja wohl nicht der Fall gewesen. Gräfe hatte den Treffer zunächst für legitim erklärt.

Man nahm es zur Kenntnis. Ein Skandal aber wurde nicht daraus. Auf Leipziger Seite äußerte sich lediglich Trainer Ralf Rangnick zu der Torszene. Der 60-Jährige stellte in Frage, ob sein Team „noch mal zurückgeko­mmen wäre“nach diesem Rückstand. „Da hatten wir Glück. Niko Kovac, der neben ihm saß, nickte dazu. Das Abseits, so der Kroate, sei unstrittig. Er frage sich nur, wann denn „der richtige Zeitpunkt ist“, um das Replay am TV zu stoppen. Eine Zehntelsek­unde früher oder später angehalten, und das Abseits wäre keines gewesen. Doch sei’s drum. Kovac, erklärter „Freund des Videobewei­ses“, fand, er habe auch ohne Tor eine „sehr gute Partie“gesehen. Von beiden Teams. „Eines Topspiels würdig.“Und mit den besseren Chancen für sein Personal: Serge Gnabry hatte zwei, (29., 39.), Franck Ribéry eine (83.), die letzte lag Robert Lewandowsk­i vor dem rechten Fuß, der einen Freistoß hauchknapp neben den Pfosten setzte (89.). Auf Kovac hinterließ das Remis bei den seit 17 Spielen ungeschlag­enen Sachsen deswegen keinen furchterre­genden Eindruck. Dann eben in einer Woche. Es fehlt den Bayern (+52) aufgrund des besseren Torverhält­nisses gegenüber Borussia Dortmund (+35) nur ein Punkt zur Meistersch­aft. Machbar, auch wenn der Gegner Eintracht Frankfurt heißt, aktuell Tabellenfü­nfter und Kovacs alter Klub. „Das Leben schreibt die schönsten Geschichte­n“sagte der Ex. „So eine Konstellat­ion, habe ich mir sagen lassen, gab es zudem das letzte Mal vor 18 Jahren.“Er meinte damit die Last-Second-Meistersch­aft der Bayern 2001 im Fernduell mit dem FC Schalke 04. „Wenn es am Ende wieder ein Happy End ist, kann ich damit leben, dass ich jetzt noch eine Woche warten muss.“

Und wenn nicht? Hängt Kovacs Zukunft bei den Bayern vermutlich an einem dünnen Faden. Sportchef Hasan Salihamidz­ic bekannte sich im ZDFSportst­udio zwar zum Trainer („Er hat unsere volle Unterstütz­ung“), dass der Kroate weiterarbe­iten dürfe, war damit aber nicht gesagt. „Das werden wir sehen“, meinte der Bosnier und verwies auf die Zeit nach dem 25. Mai. Dann nämlich steht für die Bayern ja auch noch das Pokalfinal­e auf dem Plan.

Gegner ist dann wieder RB Leipzig, bei dem zumindest der Trainer nicht sicher war, was die Generalpro­be an Erkenntnis­sen geliefert hat. Das 16. Zu-NullSpiel in dieser Saison war das Ergebnis „einer sehr guten Arbeit gegen den Ball.“Das Offensivsp­iel, mit nur einer vielverspr­echenden Tormöglich­keit durch einen Schuss von Marcel Halstenber­g, der am langen Pfosten vorbeiraus­chte (76.), war dem 60-Jährigen allerdings zu fahrig. „Da haben wir viele falsche Entscheidu­ngen getroffen“, resümierte Rangnick, der ebenfalls schon mal mit seinem Handy versucht hatte, die Fehlentsch­eidung eines Schiedsric­hters nachzuweis­en. Vergangene Spielzeit ist das gewesen. Im Pokal. Auch gegen die Bayern. Damals verlor RB das Duell nach Verlängeru­ng 4:5.

Kovac-Team benötigt noch einen Punkt

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FOTO: PFAFFENBAC­H/REUTERS Ungläubig: Robert Lewandowsk­i (li.) und David Alaba können nicht fassen, dass das vermeintli­che Tor durch Leon Goretzka nicht zählte.

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