Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wie sähe die Rente ohne Wende aus?

Kritischer Einwurf zu einer Gauck-Rede

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Entbehrt das nicht jeder Logik? Der Altbundesp­räsident Gauck diskutiert mit 100 Gästen und fordert von den Ossis, dass sie sich selbstbewu­sst zeigen.

Zum anderen widert es mich an, wenn dieser kluge Mann dann darauf verweist, dass es die alte Bundesrepu­blik war, die nach der Wiedervere­inigung die Transferle­istungen in den Osten übernommen hat, dass man unsere Aluchips in harte Währung umgetausch­t hat und fragt, wie unsere Renten heute ohne die Bundesrepu­blik aussehen würden.

Das Publikum sitzt da wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich wäre mit Zorn im Bauch aufgesprun­gen und hätte ihm Kante gegeben.

Dass in der DDR die friedliche Revolution stattfand und Gorbatscho­w in der Sowjetunio­n an der Regierung war, liegt fast 30 Jahre zurück. Und noch immer sind wir Rentner zweiter Klasse. Aus der Ost-Zone und in den Anfängen der DDR sind 2,5 bis drei Millionen junge, gut ausgebilde­te, meist Männer und weniger Frauen, gen Westen geflohen. Dies war für die DDR ein Aderlass, für die BRD eine Transfusio­n, die das Wirtschaft­swunder beflügelte. Die Flüchtling­e waren junge Fachkräfte, ohne Sprachbarr­iere.

Ihre Alten haben sie zurückgela­ssen. Allein das hätte gerechtfer­tigt, den Ossis nach der Wende die Rentenpunk­twerte West zuzugesteh­en. Nein, man wartete doch darauf, dass die Sache durch den natürliche­n Abgang billiger werden würde.

Paul Thieme, Weimar

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