Babywunsch in Smartphone-Zeiten
Die Hälfte der Paare, die Reproduktionsmedizin nutzen, bekommen Nachwuchs. Viele verlassen sich zusätzlich auf Apps
Das Aufstehen um vier Uhr morgens fand Dana* nicht so schlimm, dafür dann die Fahrt über die Autobahn von Hamburg nach Reinbek – alles, um als Erste gegen Viertel vor sieben vor der noch verschlossenen Praxis zu stehen, ihre Medikamente zu bekommen, die Untersuchung zu machen, Kontrollzettel auszufüllen – und schließlich um neun Uhr morgens dann im Büro zu sitzen. Um die Behandlung zu bezahlen, hat sie mittlerweile einen Kredit aufgenommen. Nicht selten liegen die privatärztlichen Kosten im fünfstelligen Bereich. Dana, Medienmanagerin und 38 Jahre alt, ist nicht krank. Sie möchte ein Kind bekommen – und das verzweifelt.
Ihr großer Trost allerdings: In Zeiten von 5G, Achtsamkeit und sozialen Medien hat sich die Dynamik bei Kinderwunschtherapien rasant verändert. Morgens während der Fahrt hört Dana Podcasts zum Thema, nach der Arbeit zu Hause bucht sie sich eine Kinderwunsch-Yogaklasse per Stream aus einem Onlineportal. Ebenso hilft ihr der Austausch in unzähligen Foren. Dazu kommen die Paartherapie, die Rechtsberatung per E-Mail mit ihrem Anwalt darüber, welche Kosten tatsächlich nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden.
Kinderwunschbehandlungen – da lässt sich eindeutig ein Trend erkennen – sind längst nicht mehr nur für Mediziner und spezialisierte Kliniken ein Business: In Zeiten von Hyperselbstoptimierung und globaler Digitalisierung treten auch in diesem Bereich neue Geschäftsmöglichkeiten, aber auch hilfreiche Unterstützer für Betroffene auf den Plan. Eine der Spin-Doktoren solcher Netzwerke ist Julia Neuen (32), Unternehmerin und dreifache Mutter aus Langwedel bei Bremen. Vor wenigen Monaten hat die studierte Tierpsychologin die kostenpflichtige Webseite namens Storchgeflüster gelauncht, die, wie sie sagt, „ein Komplettpaket“sein soll. So bietet Neuen auf ihrer Plattform Videotutorials als Beziehungscoaching, zu Naturheilverfahren und Ernährungsprogrammen in einem Abo-Paket an. Wissenschaftliche Studien geben ihrem Konzept recht.
So leiden zehn bis 20 Prozent der Frauen in dieser Zeit an einer klinisch relevanten Depression. Auch hier möchte Neuen ansetzen. Studien haben Julia Neuen, Unternehmerin u. a. der Havard Medical School nachgewiesen, erklärt sie, dass der Einbezug der Psyche die Chancen einer Schwangerschaft um 55 Prozent erhöhen kann. „Sicher haben Frauen gute Möglichkeiten, viele Angebote in der Verdichtung der Großstadt zu nutzen“, sagt sie. Auf dem Land sei man dagegen aufgeschmissen. „Kinderwunsch kann zu einer krankhaften Fixierung werden“, erklärt sie. Die Wartezeit dauere für Paare nicht selten mehrere Jahre, das Liebesleben leide, weil man auf Termin Sex haben müsse. So kam ihr die Idee mit der Abo-Webseite. „Um Druck abzubauen, aber vor allem, um ihre Chancen zu erhöhen“, sagt die Gründerin. Davon weiß Gründerin Kathrin Steinke zu berichten. Die Mutter einer Tochter verlor Zwillinge nach einer Kinderwunschbehandlung, gründete die Praxiswebseite Kinderwunsch-in-Berlin“und arbeitet heute als Therapeutin. Sie glaubt ebenso, dass sowohl der Austausch mit anderen Betroffenen als auch