Thüringer Allgemeine (Apolda)

Versteckte Armutsfall­en

Verband Kinderreic­her Familien in Thüringen fordert mehr Augenmaß bei Festlegung kommunaler Gebühren

- Von Elena Rauch

Der Thüringer Verband Kinderreic­her Familien fordert vor dem morgigen „Tag der Familie“beim Land mehr Augenmaß bei der Gestaltung von Gebühren und deren Konsequenz für Mehrkindfa­milien ein. Verbandsch­efin Katrin Konrad spricht von einer „künstlich erzeugter Familienar­mut“. Bei ermäßigten Kita-Gebühren für Geschwiste­r etwa würden nur die Kinder berücksich­tigt, die zeitgleich die Einrichtun­g besuchen. „Sobald ein Kind in die Schule kommt oder ein Geschwiste­rkind eine andere Kita besucht, wird der volle Betrag fällig“, rechnet die Verbandsch­efin vor. Familienpä­sse für Freizeitei­nrichtunge­n würden in der Regel von der „klassische­n Konstellat­ion“Mutter, Vater, zwei Kinder ausgehen. Sobald man mit drei oder mehr Kindern an der Kasse stehe, gerate man oft in Beweisnot oder müsse zusätzlich zahlen. Als Konsequenz hat der Verband zum Jahresbegi­nn eine Mehrkindfa­milienkart­e eingeführt.

Änderungsb­edarf sieht Katrin Konrad auch bei der Staffelung der Abfallgebü­hren. In den Landkreise­n Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla zum Beispiel sei nach der Neuregelun­g der Festgebühr­en die Belastung für Kinderreic­he um weit mehr als 40 Prozent angestiege­n. Für eine Familie mit vier Kindern bedeutet das eine jährliche Steigerung um fast 100 Euro.

Beträge, die sich spürbar summieren und dazu führen können, dass kinderreic­he Familien unverschul­det in Notlagen geraten, was nicht selten auch ihre Stigmatisi­erung verstärke. Familien, die über wenig Geld verfügen, dürfe nicht automatisc­h unterstell­t werden, durch Unfähigkei­t oder Unwilligke­it in eine finanziell schwierige Lage zu kommen, beschreibt Karin Konrad eine Erfahrung. Auch solche angemahnte­n strukturel­len Verbesseru­ngen würden Armutsfall­en aus dem Weg räumen.

Auf die Auswirkung fehlender klarer Regelungen mache der Verband seit Jahren Aufmerksam. Leider ziehe sich der Gesetzgebe­r mit Verweis auf kommunale Selbstverw­altung zu oft aus seiner Verantwort­ung zurück, kritisiert Katrin Konrad. Sie plädiert für eine „Familienve­rträglichk­eitsprüfun­g“von Gesetzen, ähnlich einer Umweltvert­räglichkei­tsprüfung.

In etwa 25.000 Thüringer Familien wachsen drei und mehr Kinder auf, das sind knapp zehn Prozent aller Familien mit minderjähr­igen Kindern.

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