So gefährlich ist der Iran
Das Land zählt militärisch zu den Schwergewichten in der Region. Die Spannungen zwischen den USA und dem Mullah-Regime wachsen
Als der Iran im Sommer 2018 seinen ersten heimischen Militärjet präsentierte, kannte der Spott in den sozialen Medien keine Grenzen. „Hier eine Münze einwerfen, dann lässt dich das Teil zehn Minuten spielen“, twitterte einer zu dem Foto des stolz lächelnden Präsidenten Hassan Rohani, der bei der Feierstunde in das Cockpit kletterte. Das Kampfflugzeug Kowsar, benannt nach dem Fluss, der laut Koran durch das Paradies strömt, sei mit modernster Bordelektronik und Radartechnik ausgestattet und zu „100 Prozent“von heimischen Rüstungsexperten entwickelt, brüsteten sich die staatlichen Medien.
Doch niemand weiß, ob der angebliche Neubau auch fliegt. Auf dem Propagandavideo rollte er nur auf dem Flugfeld herum. Start oder Landung waren dagegen nicht zu sehen. Dafür fiel Fachleuten sofort auf, dass der iranische Vogel allzu sehr dem betagten amerikanischen F5F Tiger ähnelt, von denen der Schah in den 1970er-Jahren mehr als hundert einkaufte und noch 58 in Betrieb sind.
In jüngster Zeit verging kaum ein Monat, in dem iranische Generäle nicht irgendein neues Waffensystem aus der Taufe hoben. Mal war es ein Unterseeboot mit dem Namen „Eroberer“, aus 412.000 Teilen zusammengebaut, wie die staatliche Presse stolz kolportierte. Mal war es ein neuer Zerstörer mit Stealth-Technik. Zum 40. Staatsjubiläum im Februar präsentierte die Islamische Republik dann die neuen Marschflugkörper Hoveizeh, in deren 1400Kilometer-Radius auch die nahöstliche Mittelmeerküste liegt.
Ohne Zweifel zählt das Land militärisch zu den Schwergewichten in der Region. Doch wie seine zivile Infrastruktur sind auch die Panzer, Kampfjets und Geschütze wegen der seit Jahrzehnten bestehenden Sanktionen heillos veraltet. Von den 1650 Panzern sind die meisten amerikanische M-60 oder russische T-72. Die Marine verfügt über rund 100 Schiffe, vier Zerstörer, drei russische U-Boote und 18 chinesische Patrouillenschiffe plus Dutzende kleiner Schnellboote, die bisweilen provokante Scheinattacken auf USKriegsschiffe im Persischen Golf fuhren. Die Luftwaffe besitzt 325 amerikanische, russische und französische Jets, allesamt ein halbes Jahrhundert alt, die weder für die amerikanische noch die israelische oder saudische Luftwaffe eine wirkliche Bedrohung sind.
Gefährlicher sind Teherans ballistische Raketen, deren Programm in den Händen der Revolutionären Garden liegt. Iran hat das größte und vielfältigste Arsenal solcher Geschosse im Nahen Osten, schreiben Michael Elleman und Mark Fitzpatrick in einer Analyse des International Institute for Strategic Studies. Acht der 13 iranischen Raketentypen seien so konstruiert, dass sie Nuklearsprengköpfe tragen könnten. Die fünf kürzeren Typen seien primär eine Gefahr für Israel, insofern sie in die Hände der libanesischen Hisbollah geraten. „Angesichts der zentralen Rolle, die ballistische Raketen in Irans Verteidigung und Abschreckung spielen, vor allem auch angesichts der veralteten Luftwaffe, ist es unvorstellbar, dass Teheran diese freiwillig aufgibt“, urteilen die Spezialisten.
Der Iran gibt pro Jahr 18 bis 22 Milliarden Euro für seine Streitkräfte aus, das entspricht etwa vier Prozent des Bruttosozialproduktes, kalkulierte der Wissenschaftliche Dienst des USKongresses in Washington. Zum Vergleich: Die Bundeswehr erhält etwa 43 Milliarden Euro. Irans Kontrahenten am Golf wenden jedes Jahr mehr als 90 Milliarden Euro auf. Nach Angaben des Internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri setzt Saudi-Arabien 8,8 Prozent seines Bruttosozialproduktes für Rüstungskäufe ein – der höchste Anteil weltweit.
Zwei Drittel des iranischen Militäretats fließen an die Revolutionären Garden, die 125.000 Mann unter Waffen haben. Ein Drittel geht an Heer, Luftwaffe und Marine mit 350.000 Soldaten, von denen zwei Drittel Wehrpflichtige sind.
Zusätzlich verfügt die Islamische Republik noch über etwa 100.000 ebenfalls kasernierte Basidsch-Milizen. Das eigentliche Rückgrat der iranischen Streitkräfte sind die Revolutionären Garden, die direkt dem Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei unterstehen und kürzlich von den USA zur Terrororganisation erklärt wurden.
In einem offenen Waffengang chancenlos
Vor allem die Al-Quds-Auslandsbrigade mit 15.000 Elitesoldaten dient der iranischen Führung als Instrument für ihre regionalen Machtambitionen. Deren Einheiten unter dem Kommando des populären Generals Qassem Soleimani sind vor allem hinter den Kulissen aktiv. Sie unterstützen das Assad-Regime in Syrien und die Hisbollah, rüsten die jemenitischen Houthis auf und kämpften an der Seite der irakischen Armee gegen den „Islamischen Staat“. Denn die iranische Führung weiß sehr genau, dass sie einer offenen militärischen Konfrontation mit den USA und ihren arabischen Alliierten nicht gewachsen ist. Dieses Defizit kompensiert die Islamische Republik durch Methoden der asymmetrischen Kriegsführung. Sie trainiert und rüstet regionale Milizen auf, ohne als direkter militärischer Akteur in Erscheinung zu treten – eine Strategie, gegen die die USA und ihre Verbündeten in der Region noch kein Rezept gefunden haben.