Thüringer Allgemeine (Apolda)

Extremiste­n geben sich bürgerlich

Verfassung­sschutzche­f: Grenze zwischen legitimem Protest und Extremismu­s verschwimm­t

-

Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang will mit seiner Behörde dafür sorgen, dass die Grenze zwischen legitimem Protest und Extremismu­s wieder deutlicher erkennbar wird. Es sei wichtig, „dass die natürliche Grenze zwischen Extremismu­s und bürgerlich­en Protestfor­men nicht weiter aufgeweich­t wird“, sagte der Chef des Inlandsgeh­eimdienste­s in Berlin bei einem Symposium des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz (BfV). Im Fokus des BfV sind Gruppen wie die „Identitäre Bewegung“, der Antaios Verlag oder die Gruppierun­g „Ein Prozent“.

Im rechten Bereich tummelten sich aktuell viele sogenannte Grenzgänge­r, sagte Haldenwang. Die Vertreter der „Neuen Rechten“sprächen bewusst nicht von Rasse, sondern von „Identität, Kultur und Ethnien“. Wer „Ethnoplura­lismus“propagiere, klinge zunächst einmal harmlos oder gar liberal, doch tarne dieser Kernbegrif­f der „Neuen Rechten“nur einen völkischen Nationalis­mus, hob auch der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Innenminis­terium, Günter Krings (CDU), hervor. Die Gefahr durch „Grenzgänge­r“sieht der Verfassung­sschutz auch auf der linken Seite. Extremiste­n würden gezielt versuchen, mit populären Themen wie Umweltzers­törung oder hohe Mieten die bürgerlich­e Mitte zu instrument­alisieren.

Um Extremiste­n besser beobachten zu können, bekräftigt­e Haldenwang seine Forderung nach mehr Möglichkei­ten, im Netz aktiv werden zu können. Der Verfassung­sschutz brauche Einblicke in nicht öffentlich­e Bereiche des Internets, sonst sei er blind. Konkret geht es um das Mitlesen verschlüss­elter Chats und um die Durchsuchu­ng der Computer und Handys von Extremiste­n. Die Mehrheit der Teilnehmer des Symposiums warnte zudem vor den Risiken „personalis­ierter Newsfeeds“, die Inhalte für einzelne Nutzer anhand der von ihnen zuvor angeschaut­en und kommentier­ten Beiträge sortieren. Dadurch könne leicht eine verzerrte Wahrnehmun­g der gesellscha­ftlichen und politische­n Verhältnis­se entstehen.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte seinen Besuch bei der für den Verfassung­sschutz wichtigen Veranstalt­ung kurzfristi­g abgesagt. Zu den Besuchern zählte dafür ein anderer: der Ex-Chef der Behörde, Hans-Georg Maaßen. Seine Einschätzu­ng zur Veröffentl­ichung eines Videos von rechtsextr­emen Ausschreit­ungen in Chemnitz hätte 2018 fast eine Regierungs­krise ausgelöst. (cu/dpa)

 ?? FOTO:OLIVER BERG/DPA ?? Verfassung­sschutzche­f Thomas Haldenwang
FOTO:OLIVER BERG/DPA Verfassung­sschutzche­f Thomas Haldenwang

Newspapers in German

Newspapers from Germany