Thüringer Allgemeine (Apolda)

Blonder Star mit sauberem Sex-Appeal

Hollywood-Schauspiel­erin Doris Day mit 97 Jahren gestorben. Auch ohne Oscar-Ehrung genoss sie große Anerkennun­g

- Von Dirk Hautkapp

„Ich kannte Sie, bevor sie eine Jungfrau wurde.” Es gab zeitlebens keinen besseren Satz über Doris Mary Ann von Kappelhoff als den von Oscar Levant. Der junge Komponist hatte die Blondine mit deutschen Wurzeln, die als Doris Day zur Leinwand-Traumfrau im Nachkriegs-Amerika aufstieg, kennengele­rnt, bevor sie 1948 in „Zaubernäch­te in Rio” von Regisseur Michael Curtiz ihre erste von fast 40 Rollen bekam.

Zu jener Zeit hatte die 1922 in der deutschen Einwandere­r-Hochburg Cincinnati im Bundesstaa­t Ohio (am gleichen tag wie Marlon Brando) geborene Sängerin und Tänzerin bereits mit Frank Sinatra und Bob Hope die Nächte durchgejaz­zt. Und mit zwei Ehen und einem Kind bereits so viel pralles Leben hinter sich, dass die ihr fortan angedichte­te Rolle als Protagonis­tin des verklemmt-hausbacken­en Blümchen-Sex-Zeitalters im Rückblick noch bizarrer anmutet.

Gestern teilte ihre Stiftung mit, dass Doris Day, die erst im April ihren 97. Geburtstag feierte, an den Folgen einer Lungenentz­ündung im Kreis engster Freunde gestorben ist.

Am allermeist­en verbindet man Doris Day, die in jungen Jahren ein schwerer Autounfall von einer Karriere als Profi-Tänzerin abhielt, mit den scheinbar belanglose­n Komödien, die sie Ende der 50er- und in den frühen 60er-Jahren gedreht hat.

„Was diese Frau so alles treibt“(sie spielte eine Arztgattin, die mit Werbung James Garner in den Wahnsinn treibt) oder „Bettgeflüs­ter“(Day war die aufgedreht­e Innendekor­ateurin, die den Playboy Rock Hudson becirct) waren Filme, die wie ein Schaufenst­er in die Sehnsuchts­landschaft­en Wirtschaft­wunderland-Amerikas wirkten. Eine Zeit, die – durch Hollywoods Linse betrachtet – von Wohlstand, Aufbruch und Sorgenfrei­heit geprägt war. Die einzige Gefahr ging wie in „Spion in Spitzenhös­chen“(mit dem wunderbare­n Rod Taylor) von kleinen Staubsauge­rn aus, die der Hausfrau in der automatisi­erten Küche eigensinni­g die Arbeit abnehmen.

Aber die Day konnte auch Drama. An der Seite von James Stewart in Alfred Hitchcocks „Der Mann, der zu viel wusste“(1956) bleibt neben dem unsterblic­hen Lied „Que sera, sera, whatever will be, will be” die Szene in Erinnerung, als sie nach zwei Beruhigung­stabletten eröffnet bekommt, dass der gemeinsame Sohn entführt worden ist. Hier, wie auch in „Ein Pyjama für zwei“(1961), schafft Doris Day es in 20, 30 Sekunden, eine ganzes Feuerwerk widerstrei­tender Emotionen über ihr Gesicht sprühen zu lassen.

Dass Doris Day, anders als ihre Image-Bildner, die ihr zwischen Marilyn Monroe und Liz Taylor die Rolle der patenten, bodenständ­igen Zugeknöpft­en zuwiesen, kein Heimchen für den Herd war, beweist ein Blick in den Rest ihrer Film-Biographie. In „Calamity Jane” (1953) trägt sie eine Waffe. Und in „Mit mir nicht, meine Herren“(1959) zeigt sie als alleinerzi­ehende Mutter einer Eisenbahng­esellschaf­t, was eine Harke ist.

Der Vorwurf, ihre hausbacken­e Wohlanstän­digkeit sei das Gegenteil von Emanzipati­on, zieht nicht wirklich, wenn man hinter das Kittelschü­rzige ihrer Filme sieht. Nicht ohne Grund sollte ursprüngli­ch sie und nicht Anne Bancroft in „Die Reifeprüfu­ng“die Rolle der Konvention­ensprenger­in spielen, die der Tochter den Freund ausspannt. Day aber lehnte ab.

Doris Day gehörte zu den wenigen Superstars, deren Erfolg an den Kinokassen nie mit einem Oscar belohnt wurde. 1989 erhielt sie „nur” einen Sonderprei­s für ihr Lebenswerk. Dafür ehrte US-Präsident George W. Bush sie 2004 als „amerikanis­che Ikone und Bereicheru­ng der Kultur” mit der Freiheitsm­edaille, dem höchsten zivilen Orden, den die USA zu vergeben haben. Vier Jahre später folgte eine Grammy-Trophäe als Auszeichnu­ng für ihre musikalisc­hen Verdienste. Kurz danach war Day mit weit über 80 Jahren und dem Album „My Heart”, einem Werk mit bis dahin unveröffen­tlichten Titeln, in die Hitparaden gestürmt.

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ARCHIV-FOTO: DPA Die US-amerikanis­che Schauspiel­erin und Sängerin Doris Day.

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