Mit Karls Motorrad und Rucksack ging’s auf Hochzeitsreise
Bis heute eisern durchgehalten: Roswitha und Karl Oehler aus Zottelstedt feiern 65 gemeinsame Ehejahre
Es gibt Erlebnisse, die sind in der Erinnerung der Beteiligten auch nach Jahrzehnten noch so präsent, als hätten sie gestern stattgefunden. Dabei ist die Hochzeitsreise von Roswitha und Karl Oehler mehr als sechs Jahrzehnte her. Nach Bad Schandau ging es damals – auf Karls EMW. Der Rucksack war mit Proviant prall gefüllt, sonstige Notwendigkeiten in die Seitentaschen gestaut. Viel brauchte das junge Paar seinerzeit indes eh nicht. Die Liebe war ihnen wohl genug. So störte es letztlich auch nicht, dass unterwegs das Nummernschild verloren ging und das Motorrad zudem Zicken machte.
Gestern wurde in Zottelstedt an der Festtafel jedenfalls auch über diese Episode aus dem seit nunmehr 65 Jahren währenden Eheleben geschmunzelt. Zu feiern gab‘s also die Eiserne Hochzeit, was neben der zwei Söhne und jeweils vier Enkel und Urenkel zählenden Familie auch Bürgermeister, Vize-Landrätin und Ortsteilbürgermeisterin auf den Plan rief.
Am 14. Mai 1954 wurde bei ähnlich sonnigem Wetter wie gestern in der Mattstedter Straße nicht nur „mit allem möglichen Kram“gepoltert, sondern am gleichen Tag auch „staatlich“geheiratet, wobei der damalige Bürgermeister Paul Rother die Formalien regelte.
Tags drauf ging es in die Dorfkirche, wo der Mattstedter Pfarrer Liebe obendrein den göttlichen Segen erteilte. Beim Verlassen des Gotteshauses lief das Paar unter einem „Geldregen“hindurch, dem das „Ratschen“, also das Einsammeln der Münzen, folgte, erinnert sich Roswitha Oehler. Die 83-jährige, die zeitlebens ebenso wie ihr Mann in der Landwirtschaft arbeitete, stammt aus dem Ort; ihr Mann hingegen aus Hardisleben. Dort lernte sie ihn beim Kirmestanz kennen, wohin sie sich oft zu Fuß aufmachte.
Überhaupt war sie schon als junge Frau selbstbewusst und resolut. So fuhr sie, zu jener Zeit nicht unbedingt üblich, schon ein Motorrad Awo, das sie von ihren Eltern bekommen hatte. Die Hochzeit fand in ihrem Elterhaus statt, wo beide heute noch leben und wo sie ihn pflegt.
Am Hochzeitstag gab‘s trotz der durch vielfältigste Mängel geprägten Zeit leckeren Kalbsund Schweinbraten, wofür vorher eigens geschlachtet worden war. Ebenso wenig fehlte am Tag der Tage die Hochzeitssuppe.
Ein Teil der Poltergesellschaft, die mit Traktor und Hänger von Hardisleben herüber getuckert kam, reichte aus Kirschbäumen geschüttelte Maikäfer als nettes „Mitbringsel“dar. Die Käfer gab es seinerzeit noch in großer Zahl.
Das klassisch-weiße Hochzeitkleid hatte sie sich übrigens in Niederroßla bei der Schneiderei Schwalbe auf den Leib arbeiten lassen. Die Ringe mit Gravur von Vornamen und Datum wurden indes in Apolda angefertigt. Beide existieren nicht mehr. Sie seien „abgearbeitet“gewesen, hieß es gestern bei der Feier. Dass es als eines der Hochzeitgeschenke noch eine Bettumrandung gab, auch daran erinnert sich das Jubelpaar noch.
Trotz der Arbeit in der Landwirtschaft – Karl Oehler war unter anderem Vorsitzender von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und später auch zuständig für Beregnungsanlagen – blieb Zeit für ausgedehnte Reisen. Zu Ostzeiten in die Sowjetunion, nach Rumänien, Bulgarien und so fort. Nach der Wende waren es beispielsweise Ziele in Asien oder den USA. Dass Familie Oehler in der Welt herumgekommen sind, lässt sich also sagen.
Und auch sonst blieb das Paar immer an der modernen Entwicklung dran. Als eine der ersten Familien hatten sie im Dorf ein Auto, einen schmucken 311er Wartburg. Zudem schauten sie schon recht früh auf einen Farbfernseher.
Karl Oehler prägte die Entwicklung im Dorf entscheiden mit. Ob nun Abwasser- und Wasserleitungsbau, Schaffung von Gehwegen und Engagement im Dorfklub – über all war der heute 86-jährige Ehrenbürger, einstige Ortschronist, Ex-Jagdvorsteher und langjährige Gemeinderat fürs Gemeinwohl im Dorf engagiert. An seiner Seite, man kann es sich denken, stand dabei stets seine Ehefrau Roswitha.