Ehringsdorf, Erfurt und der Elefant
Der Streit ums Museum für Ur- und Frühgeschichte – ein Fall auch für „Weimar für Klugscheißer“ Buchpremiere in Weimar
Die Debatte um den Fortbestand des Museums für Ur- und Frühgeschichte kennt viele Protagonisten. Weimarer und Erfurter gehören dazu, Minister und Lokalpolitiker, brave und aufmüpfige Bürger – und schließlich auch die Frau von Ehringsdorf. Seit 1999 hockt die junge, gleichwohl 200.000 Jahre alte Dame als lebensgroße Nachbildung im Museum.
Sie häutet hier nicht einfach nur einen Biber. Sie ist inzwischen so etwas geworden wie die Jeanne d’Arc des Widerstands gegen die Umzugspläne nach Erfurt. Sie ist Weimarerin, sie gehört nach Weimar, hört man zumindest in Weimar allenthalben.
Zu Zeiten, als Fred Feuerstein nahe dem heutigen Ehringsdorf lebte, gab es weder Weimar und Erfurt noch irgendwelche Landesoder gar Kreisgrenzen. Das, was die Neandertaler ins Gebiet von Weimar gezogen hatte, war vor allem das malerische Tal der Ilm. Weiden und Birken wuchsen hier, Traubeneichen und Haselsträucher, Vogelbeere und Wildapfel. Die Landschaft erinnerte an einen Park. Es gab offene Wiesen mit saftigem Gras, einige Tümpel und Quellbäche.
Die Steinzeit-Menschen müssen die Gegend als ideales Jagdrevier begriffen haben. Immer wieder schlugen sie hier ihr Lager auf. Zumindest für sieben Jahre ließen sich Aufenthalte nachweisen. Vor allem auf Nashörner und Elefanten hatten es die Jäger abgesehen.
Das Überraschende dabei: Die Neandertaler erlegten nicht bevorzugt Kälber, sondern erwachsene Tiere. Archäologen werten dies als sicheres Indiz für die Existenz einer ausgeprägten Kommunikation und von vorausschauendem Denken. Ohne diese Voraussetzungen wäre eine Großwildjagd unmöglich.
Blutüberströmt brachen die Riesen zusammen
Gegen diese gut organisierten Jäger hatten die Tiere trotz ihrer Größe von vier Metern wenig Chancen. Dutzende Male wurden die Elefanten von Stoßlanzen getroffen. Deren Steinspitzen waren scharf wie Skalpelle. Blutüberströmt brachen die Riesen zusammen. Wenig später brutzelten die Steaks überm Lagerfeuer…
War es wirklich so?
Die Fossilien und Artefakte, die im Steinbruch von WeimarEhringsdorf zutage getreten sind, sprechen dafür. Fest steht auch, dass hier Lagerfeuer brannten. Gleich neben den Holzkohleresten entdeckten Archäologen angekohlte Knochen. Deren versteinerte Reste haben die Jahrtausende ebenso überdauert wie die Fossilien von wenigstens sechs, vielleicht auch neun Urmenschen.
Doch das größte Rätsel ist noch ungelöst. Das Erbgut der Weimarer Urmenschen wurde bislang nicht entschlüsselt. Lediglich Voruntersuchungen stellte man an.
Aber immerhin ist es vor zwei Jahren einem internationalen Forscherteam gelungen, das Erbgut der Ehringsdorfer Waldelefanten zu rekonstruieren. Die vor etwa 100.000 Jahren ausgestorbene Art ist demnach eng mit den afrikanischen Elefanten verwandt.
Zumindest dieser Fakt spannt dann doch wieder den Bogen in die Thüringer Landeshauptstadt. In deren Zoopark leben seit Jahrzehnten afrikanische Elefanten... Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten stehen im Mittelpunkt des neuen Buchs „Weimar für Klugscheißer“. Dessen Autor, Mirko Krüger, stellt es am Donnerstag (16. Mai) erstmals öffentlich in Weimar vor. Die Lesung in der Stadtbücherei beginnt um 19. 30 Uhr.
Krüger ist Journalist unserer Zeitung. Seit den 1990er-Jahren gehört der „Kosmos Weimar“zu seinen Themen. Zahlreiche Berichte und Interviews, zeitgeschichtliche Studien sowie Reportagen sind erschienen.
Das Buch hat 104 Seiten und kostet 12,95 Euro. Erhältlich ist es in unseren Pressehäusern, unter Lesershop-Thueringen.de sowie im Buchhandel.