Versorgungslücken im Thüringer Einzelhandel werden größer
Studie prognostiziert örtliche Engpässe, befindet aber die Gesamtlage für gut. Verband warnt vor verödeten Innenstädten
Ob nun im ostthüringischen Bad Lobenstein, im Westen des Landkreises Schmalkalden-Meiningen und des Wartburgkreises oder in und um Sondershausen: Mindestens dort könnte es in Zukunft zu Versorgungsproblemen im herkömmlichen Handel kommen. So lautet eine Botschaft des aktuellen Landesentwicklungsberichts von Infrastrukturministerin Birgit Keller (Linke), der in dieser Woche vom Kabinett beraten wurde. Er liegt der Thüringer Allgemeinen vor.
Wichtigster Grund für diese Entwicklung ist die sinkende Einwohnerzahl. Dadurch falle die Kaufkraftprognose für viele Mittelzentren nicht vorteilhaft aus, heißt es in dem Papier. Zudem entwickle sich der OnlineHandel gerade „bei vielen innenstadtrelevanten Sortimenten zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz“.
Auch eine große Kommune ist betroffen. So analysiert das Keller-Ministerium, dass vor allem Gera „mit erheblichen Herausforderungen zum Erhalt der einzeln handelsbezogenen Versorgungsfunktion konfrontiert“werden dürfte.
Ganz allgemein stellt sich für die Landesregierung die Frage, wie gut es den Kommunen „überhaupt noch gelingt, wesentliche zentralörtliche Funktionen noch zu erfüllen“. Als Basis für die ersten Antworten, die der Bericht gibt, dient eine Untersuchung der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), die 2017 begann und kürzlich abgeschlossen wurde.
Sie bilanziert für Thüringen insgesamt eine gute Versorgungslage. Mit 1,73 Quadratmeter Verkaufsfläche je Einwohner schneide das Land im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 1,5 Quadratmetern sogar überdurchschnittlich ab.
Laut der Studie konzentrieren sich 70 Prozent des Handels auf große und mittlere Städte. Etwa ein Drittel der Verkaufsfläche sind Lebensmittelmärkte (siehe Infokasten). Besonders gut ausgestattet seien neben den Zentren Erfurt und Jena vor allem Eisenach, Gotha, Meiningen, Bad Salzungen und Ilmenau. Eine „stabile Versorgungssituation“existierte auch in Mittelstädten wie Weimar, Mühlhausen, Pößneck, Heilbad Heiligenstadt, Sömmerda oder Sonneberg.
Dessen ungeachtet warnen Händler und Kommunalpolitiker seit Jahren vor einem Ladensterben in den kleineren Innenstädten. In Arnstadt wird seit Jahren darüber diskutiert, auch der Stadtrat von Sondershausen beschäftigte sich im April mit diesem Thema.
Im Bericht Kellers heißt es dazu eher allgemein, dass die Stärkung der Orts- beziehungsweise Stadtkerne nach wie vor „von wesentlicher Bedeutung“sei. So werde etwa versucht, die Neuansiedlung weiterer Großmärkte an den Stadträndern zu vermeiden.
Dem Einzelhandelsverband im Land reicht das nicht. „Wir reden seit Jahren über die Verödung der Innenstädte“, sagt die südthüringische Regionalleiterin Marion Abraham-Etzold. „Es wird nicht nur wegen der Online-Konkurrenz immer schwieriger, im ländlichen Raum die Versorgung aufrechtzuerhalten.“
Der Verband fordert, in kleinen Städten Versorgungszentren finanziell zu fördern. „Da muss alles passen, von der Anbindung an den Nahverkehr über das Sortiment bis zur Ladenmiete“, sagte Abraham-Etzold. Manche Nachbarländer, darunter insbesondere Bayern, seien da bereits weiter.
Ministerin Keller bezeichnete auf Anfrage die Einflussmöglichkeiten des Landes auf die Entscheidungen der Handelsunternehmer als begrenzt. Es könne zudem „nicht Ziel staatlichen Handelns sein, Einzelhandelsangebote dauerhaft zu subventionieren“, sagte sie.