Landräte verlangen mehr Kompetenzen
In einem Thesenpapier formulieren die sozialdemokratischen und parteilosen Kreischefs ihre Forderungen an die nächste Landesregierung
Das Papier ist nicht lang, eineinhalb Seiten nur, aber es beschäftigt bereits Landkreistag und Landesregierung. Es geht darin um die künftige Aufgabenverteilung in den Kommunen und ja, auch darum, wer das Sagen hat.
Verfasst haben es acht Landrätinnen und Landräte, das ist die knappe Hälfte aller Thüringer Kreisvorsteher. Fünf gehören der SPD an, drei sind parteilos, wovon davon wiederum zwei für die Linke kandidierten. Sie stehen also, im Unterschied zu ihren neun Kollegen von der CDU, der rot-rot-grünen Landesregierung eher nahe.
Sie fühlten sich „in der Pflicht“, schreiben sie nun, „Effizienzpotentiale“ zu benennen, die wiederum „sinnvollere Verwaltungsstrukturen“ermöglichten. Es gehe dabei natürlich nicht um eine Wiederauflage der gescheiterten Kreisreform, sagt der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) dieser Zeitung. Es gehe um klare Zuständigkeiten und darum, Doppelstrukturen zu beseitigen.
Zum Beispiel der Wohnungsmarkt. „Wir begrüßen die Absicht des Landes, eine neue Wohnungsbaugesellschaft für den sozialen Wohnungsbau zu gründen“, steht in dem Text. Dazu gehöre aber auch, dass neben den Städten und Gemeinden in Zukunft auch explizit die Landkreise für den sozialen Wohnungsbau zuständig werden sollten. Die Kommunalordnung, sagt Jendricke, sei beim Thema Wohnungsbau nicht präzise genug. Die Landkreise benötigten hier eine Handhabe. „Viele kleine Gemeinden bekommen das wirtschaftlich nicht selbst hin.“
Doch das ist nur ein Teil des Forderungskatalogs. So wollen die Landräte, dass die kommunalen Krankenhäuser – so wie die private Konkurrenz – auch außerhalb ihrer Kreisgrenzen wirtschaftlich agieren können. „Helios kann uns ein Medizinisches Versorgungszentrum direkt vor die Nase setzen“, sagt Jendricke. „Wir dürfen das im Gegenzug nicht.“Dies sei ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Besonders umstritten dürfte der Vorschlag sein, alle unteren Verwaltungsbehörden der kreisangehörigen Kommunen, also Gewerbeamt, Denkmalschutzamt, Bauordnungsamt oder Wohngeldstellen in den Landratsämtern zu konzentrieren. Allerdings gibt es hier eine Art Lex Eisenach. So heißt es diplomatisch im Papier: „Ausnahmen sollten künftig nur für einzukreisende ehemals kreisfreie Städte noch gelten.“Darüber hinaus wollen die Landkreise in der Kommunalordnung verbindlich festlegen, dass sie „sich auch für gemeindliche Themen wie Tourismus, Wirtschaftsförderung und Kultur“engagieren dürfen. Dasselbe gilt auch für die Digitalisierung. So wollen die Landräte ganz offiziell für den Breitbandausbau ständig werden.
Das Papier wurde bereits auf einer Präsidiumssitzung des Landkreistages andiskutiert, stieß aber dort bei den CDULandräten vorläufig auf Distanz. Landkreistagspräsidentin Martina Schweinsburg (CDU) sagte auf Anfrage, man werde sich damit auf der Landrätekonferenz im August beschäftigen.
Auch in der Landesregierung zirkulieren die Forderungen. Am kommenden Mittwoch sollen sie erstmals auf einem Treffen der Landräte und Oberbürgermeister mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) diskutiert werden. Angesichts der Landtagswahl im Oktober sei klar, dass in dieser Wahlperiode nichts mehr zu bewegen sei, sagt Jendricke. Die Forderungen richteten sich deshalb an die nächste Landesregierung und Koalitionsmehrheit.