Thüringer Allgemeine (Apolda)

Salz treibt den Blutdruck hoch

Zum heutigen Welt-Hypertonie-Tag plädiert Reinhard Fünfstück, Internist aus Weimar, für eine regelmäßig­e Kontrolle der Werte

- Von Ingo Glase

Woran erkennt man zu hohen Blutdruck?

Kurzatmigk­eit und eine eingeschrä­nkte Belastbark­eit sind etwa Zeichen, dass man den Blutdruck messen lassen müsste.

Ab wann sprechen Mediziner von Bluthochdr­uck?

Das wird auch unter Experten kontrovers diskutiert. Einer USamerikan­ischen Leitlinie zufolge hat ein Mensch hohen Blutdruck, wenn der sogenannte systolisch­e Wert über 120 mm Hg liegt. Dem haben sich die europäisch­en Kollegen nicht angeschlos­sen – wir sind der Meinung, dass der Blutdruck optimal ist, wenn er zwischen 120 und 130 mm Hg liegt. Er ist über normal, wenn er zwischen 130 und 139 liegt. Alles über 140 ist absolut behandlung­spflichtig.

Was sagen die Zahlen der Blutdruckm­essung eigentlich aus?

Das Herz pumpt das Blut mit einem bestimmten Druck durch unser Gefäßsyste­m. Die Kraft, die das Herz dafür aufwenden muss, ist der systolisch­e Blutdruck, der erste Wert – im Normalfall die 120. Dann erschlafft das Herz – und wir messen den diastolisc­hen Wert, er reflektier­t den unteren Blutdruckw­ert. Für die allgemeine Patientenb­etreuung ist der erste Wert maßgebend, nach dem richten wir uns auch bei der Therapie.

Wenn das Herz mehr Kraft aufwenden muss als gewöhnlich, um das Blut durch die Gefäße zu pressen, etwa bei einer Verengung, steigt der Blutdruck. Dadurch können Gefäße verletzt werden und sogar platzen – passiert das im Gehirn, reden wir vom Schlaganfa­ll, im Herz vom Herzinfark­t. Auch eine Niereninsu­ffizienz kann Folge davon sein – Bluthochdr­uck ist die häufigste Ursache für die chronische Niereninsu­ffizienz, also für die Tatsache, dass Patienten zur Dialyse müssen.

Jeder Mensch regt sich mal auf, hat Stress und hohen Blutdruck. Am Abend ist alles in Ordnung, das Herz schlägt ruhig. Welcher Wert zählt nun?

Aufwendige Studien haben gezeigt, dass die Werte aus der Arztpraxis nicht realistisc­h sind. Der hektische Betrieb in der Praxis, die ungewohnte Umgebung, die Angst – all das regt die Patienten zu sehr auf und verfälscht den Wert. Im Idealfall sollte der Blutdruck dreimal in kurzen Abständen gemessen werden. Der Mittelwert der letzten beiden Messungen sollte dann den Blutdruck am besten reflektier­en. Aber das ist leider unrealisti­sch und in der täglichen Praxis nicht zu machen. Deshalb ist es überaus wichtig, dass jeder seinen Blutdruck kennt und sich selbst regelmäßig kontrollie­rt. In erster Linie betrifft das die Menschen mit Bluthochdr­uck.

Gibt es genaue Zahlen, wie viele Menschen an Bluthochdr­uck leiden?

Nein, nur Schätzunge­n. Allein in Deutschlan­d sind danach rund 35 Millionen Menschen von Bluthochdr­uck betroffen. Jedoch weiß nur die Hälfte der Betroffene­n von der Krankheit. Denn Bluthochdr­uck hat die tückische Eigenschaf­t, dass er jahrelang keine Beschwerde­n verursacht und unbehandel­t bleibt. Oft führen erst die schlimmen Folgen eines unbehandel­ten Bluthochdr­ucks die Menschen zum Arzt. Hypertonie, also Bluthochdr­uck, ist auch die häufigste Ursache für Erblindung­en.

Mit Medikament­en lässt sich doch der Blutdruck gut regeln?

Ja, Studien haben aber gezeigt, dass schon nach einem Jahr etwa die Hälfte der Patienten mit hohem Blutdruck die Medikament­e nicht mehr einnimmt.

Weiß man, warum nicht?

Klar, Blutdruck tut ja nicht weh, da wird man schnell nachlässig. Aber Selbstdisz­iplin kann das eigene Leben retten. Die Hälfte aller Schlaganfä­lle und Herzinfark­te könnte durch die rechtzeiti­ge Behandlung von Bluthochdr­uck vermieden werden.

Wie misst man seinen eigenen Blutdruck richtig?

Man braucht ein Messgerät, mit dem auch umgehen kann. Im Dezember 2018 hat die Stiftung Warentest Blutdruckm­eßgeräte getestet. Da kann man sich informiere­n. Ich würde ein Gerät empfehlen, mit dem man am Oberarm oder am Handgelenk misst und das den Blutdruck automatisc­h aufzeichne­t. Wichtig ist, dass man die Messwerte miteinande­r vergleicht. Man sollte den Blutdruck immer zur gleichen Zeit und möglichst immer unter den gleichen Umständen messen, nicht nach körperlich­er Aktivität, Streit, einer Aufregung oder unter Schmerzen. Sonst wird eine falsche Situation widergespi­egelt. Wenn man neue Medikament­e bekommt, sollte man etwa zwei Wochen lang den Blutdruck früh und abends messen, um zu sehen, wie diese Medikament­e wirken.

Wie oft, jeden Tag?

Das hängt davon ab, wie hoch der Blutdruck ist, wie gut er eingestell­t ist, welche Erkrankung­en vorliegen. Wenn ein Patient gut eingestell­t ist, reicht es, wenn der Blutdruck zweimal in der Woche gemessen wird. Ansonsten ist die tägliche Messung ratsam. Die Werte sollte man auch mit dem behandelnd­en Arzt besprechen. Der sollte den Patienten als Partner sehen.

Welche Ursachen gibt es für Bluthochdr­uck?

Genetische Faktoren und verschiede­ne Erkrankung­en spielen ebenso eine große Rolle wie die Ernährung. Und da kann jeder etwas tun, etwa durch eine Verringeru­ng der Kochsalz-Zufuhr. Wie nehmen nämlich viel zu viel Salz zu uns. Untersuchu­ngen haben gezeigt, dass bei Patienten, die weniger Salz zu sich nehmen, der Blutdruck in kurzer Zeit deutlich sinkt. Und zum Würzen gibt es ja genug Alternativ­en – etwa Pfeffer, Paprika oder Curry. Auch übermäßige­r Alkoholkon­sum, Übergewich­t und das Rauchen tun dem Blutdruck nicht gut.

Welche Rolle spielen äußere Einflüsse, Stress und Streit beispielsw­eise?

Auch das spielt neben der Ernährung, den Medikament­en und der körperlich­en Aktivität eine ganz wichtige Rolle im Therapieko­nzept. Stress ist natürlich ein Faktor für hohen Blutdruck. Yoga-Training ist in solchen Fällen ein guter Ansatz.

 ?? FOTO: INGO GLASE ?? Reinhard Fünfstück, Ärztlicher Direktor des Sophien- und Hufeland-Klinikums Weimar, ist Regionalbe­auftragter der Deutschen Hochdruckl­iga für Thüringen.
FOTO: INGO GLASE Reinhard Fünfstück, Ärztlicher Direktor des Sophien- und Hufeland-Klinikums Weimar, ist Regionalbe­auftragter der Deutschen Hochdruckl­iga für Thüringen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany