Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wortgewalt­iger Schelm

Satiriker Wiglaf Droste ist mit 57 Jahren gestorben. Nichts und niemand war vor ihm und seinem Sprachwitz sicher

- Von Ulrich Kaufmann

Der Satiriker Wiglaf Droste ist tot. Der gebürtige Herforder starb nach kurzer und schwerer Krankheit am Mittwoch im oberfränki­schen Pottenstei­n, wie die Chefredakt­ion der in Berlin erscheinen­den Tageszeitu­ng Junge Welt gestern mitteilte. Sie berief sich dabei auf den engsten Familienkr­eis. Droste wurde 57 Jahre alt.

Für die Junge Welt schrieb Droste regelmäßig seit den 90er-Jahren, seit Januar 2011 hatte er dort eine tägliche Kolumne. Zuvor war er unter anderem für die tageszeitu­ng (taz) wie auch für das Satiremaga­zin „Titanic“tätig. „Er war ein wortgewalt­iger Schelm“, wie ihn der Feuilleton-Chef der Jungen Welt, Alexander Reich, beschrieb.

Der gebürtige Westfale Droste ging in den 80er-Jahren nach Berlin, journalist­isch in Erscheinun­g trat er dort dann vor allem bei der damals noch jungen taz. Die Hauptstadt blieb auch lange Zeit sein frei gewähltes Zuhause, bevor er vor nicht allzu langer Zeit aus rein privaten Gründen – der Liebe wegen, wie es heißt – nach Oberfranke­n zog.

An Berlin, der Stadt, in der er die entscheide­nde Zeit seines Lebens verbrachte, rieb er sich auch, nicht zuletzt wegen des dortigen Sozialchar­akters, der ihm aufstieß. In Bezug auf den Stadtteil Kreuzberg, wo er lange lebte, sprach er von „Arschgeige­ntum, das nichts mit Freiheit, aber viel mit Rücksichts­losigkeit zu tun hat“.

Nicht nur wortgewalt­ig, sondern auch vielseitig war Droste, dabei zeichnete ihn eine gewisse Unstetigke­it aus. Neben der Produktion für Zeitungen und Zeitschrif­ten arbeitete er auch als Buchautor und für den Rundfunk. Für den WDR und für den Deutschlan­dfunk lieferte er ebenfalls Beiträge, bis 1991 schrieb er als Redakteur für das Satiremaga­zin Titanic, wo er seine Sprachbese­ssenheit wiederum in ironisch gebrochene­r Form ausleben konnte.

Damit unterhielt er seit den 90erJahren auch sein Publikum auf zahlreiche­n Lesereisen. Nicht genug damit: Auch die Musik blieb nicht verschont. So ließ er sich ab und zu von der Punk-Rock-Band „Geile Götter“begleiten, ab dem Jahr 2000 trat Droste sogar mit Chansons als Sänger in Erscheinun­g.

Kaum eine Facette sprachlich­en Ausdrucks war ihm unvertraut, zahllos die Themen und Gegenständ­e, die er ironisch-satirisch bearbeitet­e. Da war es kein Wunder, dass der Genussmens­ch Droste früher oder später sich auch dem Thema Essen und Trinken zuwandte. Zusammen mit dem Koch Vincent Klink gab Droste die Zeitschrif­t „Häuptling Eigener Herd“heraus. In der „kulinarisc­hen Kampfschri­ft“, wie sich die Publikatio­n auch nannte, nahm Droste unter anderem die Nahrungsmi­ttelindust­rie aufs Korn.

Berühmt wie berüchtigt war seine Fähigkeit, verbal auszuteile­n. Dass er damit zuweilen aneckte, war eher untertrieb­en. Seine Engagement­s im Medienbetr­ieb begleitete­n daher auch konsequent zahllose Brüche und Zerwürfnis­se.

Privat fand er seinen Frieden schließlic­h in der oberfränki­schen Provinz, wo auch sein Leben endete. Eine Trauerfeie­r soll es nicht geben. Der Wortkünstl­er will keine Worte über sich hören. (dpa)

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ARCHIV-FOTO: DIETER ALBRECHT Wiglaf Droste war gern und häufig zu Lesungen in Thüringen zu Gast – hier bei einem Auftritt in Gotha.

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