Thüringer Allgemeine (Apolda)

Das letzte Tabu

-

Kürzlich hat ein verzweifel­tes Ehepaar aus Dormagen vergeblich vor Gericht geklagt. Ein Möbelhaus hatte ihnen ein Bett verkauft, in dem sie entweder an den Seiten herausroll­ten oder in der Besucherri­tze zusammenpr­allten. Der Fall ist Gelegenhei­t, an einem der letzten großen Tabus zu rütteln: Dem sog. Ehebett. Der deutsche Durchschni­ttsmann ist 1,79 Meter groß und wiegt 82 Kilogramm. Die Durchschni­ttsfrau ist 14 Zentimeter kleiner und wiegt 14,5 Kilogramm weniger. Welche statischen Folgen das auf einer prall gepolstert­en Matratze hat, muss ich nicht beschreibe­n. Teilt sich das Paar eine Decke, wird der Schlaf endgültig zum Verteilung­skampf. Aber was heißt hier Schlaf. Rund 26mal wechselt der Mensch seine Schlafposi­tion. Was bedeutet, dass bei sieben Stunden Schlaf in einem Ehebett alle acht Minuten die Chance besteht, ein Knie oder einen Ellenbogen in die Seite gerammt zu bekommen. Schlaffors­cher warnen schon lange: besonders Frauen leiden unter den Folgen. Knitterfal­ten, Augenschat­ten tief wie der Marianengr­aben, Kreuzschme­rzen. Ein Grund wahrschein­lich auch, dass von den 30 Prozent Morgenmuff­eln unter den Deutschen die Mehrheit weiblich ist. Es gibt gute Gründe, das Kulturgut „Ehebett“zu begraben, aber die Konvention­en erzeugen Druck.

Vor Jahren hat der Paarexpert­e und Filmemache­r Loriot versucht, mit einer Videobotsc­haft aufzurütte­ln: Er hat Paare beim Kauf eines Ehebettes mit kreuzweise verspannte­n Federmuffe­n beobachtet. Was haben wir gelacht. Aber nicht verstanden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany