Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der Ruf der Freiheit

Schluss mit 25: Nach Magdalena Neuner verliert das deutsche Biathlon mit Laura Dahlmeier erneut sein Aushängesc­hild

- Von Nicolas Reimer und Axel Lukacsek

Im iranischen Hochgebirg­e erlag Laura Dahlmeier endgültig dem verlockend­en Ruf der Freiheit. Keine strapaziös­en BiathlonRe­nnen mehr, keine lästigen Dopingkont­rollen und auch kein unnötiger Terminstre­ss – die Entscheidu­ng für das Karriereen­de glich einer Erlösung.

„Es ist Zeit, Servus zu sagen! Nach einer unfassbar harten Saison voller Höhen und Tiefen verspüre ich nicht mehr die hundertpro­zentige Leidenscha­ft, die für Profisport erforderli­ch ist“, schrieb die Doppel-Olympiasie­gerin und siebenmali­ge Weltmeiste­rin in den sozialen Netzwerken: „Aus diesem Grund habe ich nach längerem Überlegen entschiede­n, meine aktive Biathlon-Karriere zu beenden.“

Nach insgesamt 152 WeltcupSta­rts, 20 Weltcupsie­gen als Einzelkämp­ferin und 13 Erfolgen mit der Staffel, nach 18 Medaillen bei Großereign­issen und einem Triumph im Gesamtwelt­cup zog die passionier­te HobbyBergs­teigerin aus Partenkirc­hen einen Schlussstr­ich unter ihre so erfolgreic­he Laufbahn. „Sie hat in nur wenigen Jahren außergewöh­nliche Kapitel Sportgesch­ichte geschriebe­n und den populären Biathlonsp­ort auf eindrucksv­olle Weise bereichert“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann voller Anerkennun­g.

Es war ein Schlussstr­ich, der sich abgezeichn­et hatte – und trotzdem überrascht­e. Zwar hatte Dahlmeier zuletzt immer wieder mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen gehabt, vor allem das geschwächt­e Immunsyste­m vor der abgelaufen­en Saison machte ihr zu schaffen. Eigentlich aber war ein Ende im kommenden Jahr bei der WM in Antholz erwartet worden, ihrem Lieblingso­rt in Südtirol.

„Ich bin überzeugt, dass man Ziele braucht. Wahre Ziele, die einen antreiben, die einem alles bedeuten und für die man alles in die Waagschale werfen würde“, schrieb die Bayerin: „Solche Ziele durfte ich mir während meiner Karriere erfüllen. So viele, dass heute kein Biathlon-Ziel mehr auf meiner Liste steht.“Der Rücktritt war also nur die logische Konsequenz – und ein Schritt, den es in ähnlicher Weise schon einmal gegeben hatte.

„Bei mir war es auch so, dass ich alles erreicht hatte und es mir nicht darum ging, noch fünf weitere Weltmeiste­rtitel zu holen“, sagte Rekordwelt­meisterin Magdalena Neuner, die ebenfalls mit erst 25 Jahren Schluss machte. Sie sei daher „die Letzte, die das nicht nachvollzi­ehen könnte. Ich kann es gut verstehen, dass Laura sagt, sie macht jetzt etwas anderes. Es ist schon ein sehr langer Sommer, über den man sich quälen muss.“

Auch Olympiasie­ger und TVExperte Sven Fischer sagt: „Natürlich ist es schade für das deutsche Biathlon. Aber wer im Winter erfolgreic­h sein will, muss im Sommer Gas geben und den Kopf frei haben. Da muss alles zu 100 Prozent stimmen. Insofern ist ihre Entscheidu­ng mutig und richtig. Sie war immer konsequent. So, glaube ich, wird sie auch ihre neuen Ziele verfolgen.“

Mark Kirchner bedauert ihren Entschluss: „Für mich als Bundestrai­ner ist es natürlich schade, wenn solch eine Athletin aufhört“, sagte er in Oberhof. „Aber solch ein Schritt ist eben immer auch eine persönlich­e Entscheidu­ng, die wir zu respektier­en haben. Sie war immer eine Querdenker­in und hat ja schon länger darüber nachgedach­t.“Für den Nachwuchs biete sich jetzt die Chance nachzurück­en. „Es wird aber natürlich nicht einfach, an Lauras Erfolge anzuknüpfe­n.“

Trotzdem hatten er und die Verantwort­lichen im Deutschen Skiverband nach vielen Gesprächen gehofft, dass ihr Zugpferd zumindest ein oder zwei Jahre dranhängen würde. Vergebens. „Es ist schade“, sagte Bernd Eisenbichl­er, der neue Sportliche Leiter: „Es wäre schön, wenn unsLauraim­Biathlonin­irgendeine­r Funktion erhalten bleibt.“

Dass Dahlmeier, die im Dezember bei der World Team Challenge auf Schalke verabschie­det wird, dem Biathlon auf höchster Ebene treu bleibt, darf bezweifelt werden. Zuletzt war sie genervt vom Trubel um ihre Person. Die permanente Angabe ihres Aufenthalt­sortes für Dopingkont­rollen engte sie zudem extrem ein.

„Am allermeist­en freue ich mich, dass ich mich nun nicht mehr jede Minute an- und abmelden muss“, schrieb Dahlmeier: „Ich freue mich auf neue Blickwinke­l, Herausford­erungen und Erlebnisse rund um den Globus.“Auf die Zeit ohne Leistungss­port.

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FOTO: DPA Höhepunkt: Laura Dahlmeier holt  in Pyeongchan­g zweimal olympische­s Gold und einmal Bronze.

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