Thüringer Allgemeine (Apolda)

Baby-Jubel auf der Kuhwiese

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Ein verregnete­r Samstag im Mai. Ein Sportplatz in Frankendor­f, irgendwo im Weimarer Hinterland. Ein Rasen, so hügelig, als wäre er die Heimstätte einer Herde Rinder. Und so hoch gewachsen, als hätten diese Rinder ihn schon lange nicht mehr abgekaut. Doch von Kühen keine Spur, stattdesse­n zwei Fußballtea­ms, von denen einige Akteure den behuften Vierbeiner­n figurmäßig nicht unähnlich sind. Zweite Kreisklass­e halt, Heimat der Talente, die für die erste Mannschaft noch nicht so weit sind, und der Talentfrei­en, die nie so weit sein werden.

SV Fortuna Frankendor­f II gegen SG Eintracht Kirchheim II, es läuft die 32. Spielminut­e. Die Gäste aus Kirchheim sind spielerisc­h überlegen, tun sich aber wie immer schwer mit dem Toreschieß­en. Null zu Null der logische Zwischenst­and. Ein Ball wird von den Frankendor­fern mal wieder abgewehrt, fliegt in hohem Bogen durch ihren Strafraum. Irgendwo am Elfmeterpu­nkt streckt sich ein Bein in die Luft. Es gehört einem vollbärtig­en Stürmer mit Torwartfig­ur – was daran liegt, dass er eigentlich Torwart der ersten Mannschaft ist. Wie durch ein Wunder trifft dieses Bein den Ball. Als sich der Stürmer im Fallen umdreht, sieht er das noch größere Wunder: Der Ball landet genau im Eck. Großzügig betrachtet kann man es Fallrückzi­eher nennen, für die elfte Liga war es jedenfalls außergewöh­nlich. Die Kirchheime­r Mitspieler kommen zum Umarmen, doch der Torschütze, der sonst sitzt und über Tore schreibt, sie maximal verhindert statt sie selbst zu schießen, hat anderes im Sinn. So wie vorher erhofft und geplant, aber keineswegs erwartet, schnappt er sich den Ball aus dem Netz und zwängt ihn unter das Trikot, das eh schon ein bisschen spannt. Dazu den Daumen in den

Mund, fertig ist der Baby-Jubel. Kurz fühlt es sich wie Bundesliga an, da hat man einen solchen Jubel auch schon gesehen.

Wenn die kleine Tochter in zwei Monaten das Licht der Welt erblickt, wird sich das sicher auch wie Bundesliga anfühlen. Und wenn sie ein bisschen größer ist, wird Papa auf jeden Fall eine Geschichte zu erzählen haben. Damals, an einem verregnete­n Samstag in Frankendor­f ...

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