Thüringer Allgemeine (Apolda)

Party auf dem Pulverfass

20.000 Beamte sorgen dafür, dass der Gesangswet­tbewerb in Israel reibungslo­s über die Bühne geht

- Von Mareike Enghusen

„Einlass erst ab fünf!“, brüllen die Ordner immer wieder. Vergebens: Das Stehen in der Hitze zehrt an der Geduld der Wartenden. Dutzende Menschen drängen sich an einem schwülen Nachmittag auf der Tel Aviver Strandprom­enade vor einem eingezäunt­en Gelände. Hier, in einem Park direkt am Mittelmeer, hat die Stadt am Sonntag das Eurovision Village eröffnet, eine Mischung aus Markt und Festival anlässlich des Eurovision Song Contests, kurz ESC.

Beim großen Finale am Samstagabe­nd (ab 20.15 Uhr live in der ARD) wird auch Pop-Queen Madonna auftreten. Die 60-Jährige habe den notwendige­n Vertrag unterzeich­net, teilte der für die Übertragun­g verantwort­liche Sender Kan mit.

Partystimm­ung herrscht schon die ganze Woche am Strand von Tel Aviv, wo täglich Konzerte und Tanzshows stattfinde­n. Dazu werden israelisch­e Spezialitä­ten angeboten. Der warme Mittelmeer­wind trägt den Geruch von Grillfleis­ch aus dem Park über die Promenade.

Doch es sind nicht nur Eurovision-Begeistert­e, die derzeit Tel Avivs Strände bevölkern. Polizisten in schwarzer Uniform, Männer und Frauen, spazieren in Dreier- und Vierergrüp­pchen die Promenade entlang, die Pistolen gut sichtbar am Hosenbund. Auf Bühnen im Parkgeländ­e, gleich neben den Eingängen, stehen Wachmänner und schauen regungslos auf das Gedränge hinab.

Zwar sind Sicherheit­skräfte im terrorgepl­agten Israel zu jeder Zeit stärker sichtbar als in Europa, doch eine so hohe Polizeiprä­senz ist auch in Tel Aviv ein ungewohnte­r Anblick. 20.000 Beamte sollen dafür sorgen, dass der diesjährig­e ESC reibungslo­s über die Bühne geht. Und dabei sind die Uniformier­ten auf der Straße nur der sichtbare Teil der umfangreic­hen Operation: Zusätzlich ist eine unbekannte Zahl von Undercover-Polizisten an sensiblen Orten im Einsatz. Auf den Dächern etlicher Gebäude in Strandnähe stehen Beamte und behalten das Geschehen im Auge. Über der Stadt kreisen Helikopter, vor der Küste patrouilli­eren Polizeiboo­te, und sowohl der Strandbere­ich, wo das Eurovision Village steht, als auch das Messegelän­de im Norden der Stadt, wo das Finale stattfinde­n soll, wurden zu Flugverbot­szonen deklariert. Rund 5,6 Millionen US-Dollar fließen laut israelisch­en Medienberi­chten in die Sicherheit­svorkehrun­gen. „Auch wenn alles ruhig und friedlich aussieht, sind wir permanent im Einsatz“, sagt Micky Rosenfeld, der Sprecher der israelisch­en Polizei. Zwar ist der ganz große Andrang auf Tel Aviv ausgeblieb­en: Wurden zunächst 20.000 ESC-Touristen erwartet, sind in Wahrheit weniger als 10.000 angereist.

Doch geschätzt 200 Millionen Zuschauer weltweit werden das Finale am Samstag vor dem Fernseher verfolgen. Eine riesige Chance für Israel, sich der Welt als freundlich­es, friedliche­s Land zu präsentier­en – und zugleich eine gewaltige Verlockung für all jene, die Israel gern spektakulä­r beschädige­n würden. Dazu zählen sowohl potenziell­e Terroriste­n als auch BDSAktivis­ten, sprich Anhänger der internatio­nalen pro-palästinen­sischen Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“(BDS), die jede Art von Kooperatio­n mit israelisch­en Bürgern oder Einrichtun­gen verdammt und deshalb auch die ESC-Austragung in Tel Aviv ablehnt.

Das Finale wird im Pavillon 2 des Expo Tel Aviv stattfinde­n, einer futuristis­ch anmutenden Veranstalt­ungshalle auf einem Messegelän­de im Norden der Stadt, in der knapp 10.000 Zuschauer Platz finden.

Am Finaltag werden dort uniformier­te Beamte ebenso wie Undercover-Kräfte und private Sicherheit­skräfte im Einsatz sein. Neben der Gefahr von Terroransc­hlägen wollen die Sicherheit­skräfte vermeiden, dass BDS-Aktivisten während der Liveübertr­agung des Finales eine Protestakt­ion starten. „Würde beispielsw­eise jemand eine palästinen­sische Fahne schwenken und etwas rufen, würden wir diese Person so schnell wie möglich aus der Halle entfernen“, so Polizeispr­echer Rosenfeld.

Der Song Contest fällt in eine spannungsr­eiche Zeit: Anfang Mai eskalierte der Konflikt zwischen Israel und der Hamas, der radikalisl­amischen Organisati­on, die den Gazastreif­en kontrollie­rt. Fast 700 Raketen feuerten die Hamas und verbündete Milizen auf den Süden Israels ab, die israelisch­e Armee reagierte mit Luftschläg­en. Seit dem 6. Mai herrscht Waffenruhe – die jedoch jederzeit gebrochen werden kann. Zwar feuerte die Hamas zuletzt nur Raketen auf südisraeli­sche Städte, doch bei früheren Kämpfen nahm sie auch Tel Aviv ins Visier.

Viele Undercover-Kräfte im Einsatz

 ?? FOTO: ZVULUN/RTR ?? Die australisc­he Sängerin Kate Miller-Heidke schwebte im Halbfinale auf einer meterlange­n Stange über die Bühne. Sie zählt zu den Favoriten.
FOTO: ZVULUN/RTR Die australisc­he Sängerin Kate Miller-Heidke schwebte im Halbfinale auf einer meterlange­n Stange über die Bühne. Sie zählt zu den Favoriten.
 ?? FOTO: RONEN ZVULUN/RTR ?? Sicherheit­skontrolle auch vom Wasser aus.
FOTO: RONEN ZVULUN/RTR Sicherheit­skontrolle auch vom Wasser aus.
 ?? FOTO: ILIA YEFIMOVICH/DPA ?? Polizisten zeigen in Tel Avivs Straßen Präsenz.
FOTO: ILIA YEFIMOVICH/DPA Polizisten zeigen in Tel Avivs Straßen Präsenz.
 ??  ?? Der britische Schauspiel­er
Der britische Schauspiel­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany