Thüringer Allgemeine (Apolda)

Ziemlich cool in Thüringen

Es wahlkämpft gar sehr in Erfurt oder Jena: Wie Lindner, Merz und Keller vor dem 26. Mai für ihre Parteien werben

- Von Martin Debes

Die Stelle, an der sich das kreuzbrave Erfurt ein bisschen Wildheit gönnt, liegt nahe den Bahngleise­n, im alten Güterbahnh­of. Hier befindet sich der Zughafen, ein Kulturzent­rum, das einst der Sänger Clueso mit anderen Künstlern begründete. Hier darf man sich immer noch ein bisschen angesagt fühlen.

Aber die Vereinnahm­ung durch die Allgemeinh­eit schreitet voran. Vor dem Eingang zu der Halle, in der sonst zumeist Konzerte stattfinde­n, stehen am Freitag zwei Anzugmänne­r im milden Abendlicht. Der eine, Christian Lindner, führt die FDP im Bund, der andere, Thomas Kemmerich, jene im Land.

Drinnen sind um die 250 Menschen versammelt; davon, so sagt es Lindner, gehöre nur eine Minderheit der Partei an. Überprüfen lässt sich das freilich nicht, aber der Saal wirkt voll.

Die FDP ist also wieder da. Im Bundestag sitzt sie seit 2017, in den Erfurter Landtag will sie im Herbst zurück. Vorher müssen aber noch Europa- und Kommunalwa­hlen gewonnen werden. Deshalb reist Lindner, der trotz medial attestiert­er Ermüdungse­rscheinung­en das einzige effiziente Markenzeic­hen der FDP bleibt, unermüdlic­h durch die Republik. Und deshalb ist er hier im Zughafen.

Auf der Bühne steht aber erst einmal Robert-Martin Montag, groß, knapp 40, aus Ruhla. Er ist noblen Villa gegenüber dem Jenaer Paradiesba­hnhof, in der man eher einen Sektempfan­g des örtlichen FDP-Mittelstan­ds vermuten würde. Keller dekliniert alles, was die EU-Politik bietet, nach Klimafreun­dlichkeit durch, die Agrarsubve­ntionen, den Emissionsh­andel, den Verkehr.

Im Publikum sitzen um die 50 jugendlich­e oder zumindest jugendlich gekleidete Menschen an weiß gedeckten Tischen, die später mit der Kandidatin den Eurovision Song Contest anschauen wollen. Neben Umweltmini­sterin Anja Siegesmund und Landtagsfr­aktionsche­f Dirk Adams ist auch die landeseige­ne Bundestags­fraktionsv­orsitzende Katrin GöringEcka­rdt gekommen. Die Abgeordnet­e trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck Sexism“unter der knallroten Jacke.

Jeder versucht eben auf seine Art, angesagt zu sein. Und, Pardon, jede natürlich auch.

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FOTO: MARTIIN DEBES Das gemeinsame Hochhalten der Plakate gehört inzwischen bei Parteivera­nstaltunge­n dazu. Während Spitzenkan­didatin Nicola Beer (Mitte) sich daran beteiligt, klatschen der FDP-Bundesvors­itzende Christian Lindner (rechts) und der hiesige Landeschef Thomas Kemmerich (links) lieber nur.
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FOTO: MARTIN DEBES „Falls Sie es noch nicht wissen“: Friedrich Merz hielt bei seinem Wahlkampfa­uftritt in Jena eine seiner Politikvor­lesungen.
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FOTO: GREGOR FISCHER Vor ihrem Besuch in Jena sprach die grüne Spitzenkan­didatin Ska Keller am Samstag auf einer Veranstalt­ung in Berlin.

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