Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Die Auswirkung­en wären dramatisch“

Fast-CDU-Bundesvors­itzender Friedrich Merz über die Europawahl, die Regierungs­fähigkeit Thüringens und die Koalition im Bund

- Von Martin Debes

Wie hoch ist die Gefahr, dass es nach der Europawahl keine handlungsf­ähigen Mehrheiten mehr gibt?

Europawahl­en sind in der Vergangenh­eit oft als Denkzettel­wahlen genutzt worden, bei denen man einfach mal seine Kritik an der Innenpolit­ik ausdrücken konnte. In diesem Jahr aber muss es wirklich nur um das Europäisch­e Parlament gehen. Immerhin bestimmen die Abgeordnet­en die nächste Kommission. Diese Wahlen haben eine überragend­e Bedeutung. Europa muss endlich wieder handlungsf­ähig werden, gegenüber Amerika, gegenüber Russland, gegenüber China. Das geht nur mit einem starken EU-Parlament mit starken Parteien der Mitte.

Die Situation hat die EU nicht exklusiv. In Thüringen und in Ostdeutsch­land könnte es nach den Landtagswa­hlen dazu kommen, dass es keine Mehrheit mehr jenseits von AfD und Linke gibt. Was muss die CDU besser machen?

Die Wählerinne­n und Wähler in Thüringen, aber auch in Sachsen und Brandenbur­g, sollten sich gut überlegen, ob sie ihre eigenen Länder schwächen wollen, indem sie die Parteien an den Rändern noch stärker machen. Die Auswirkung­en eines solchen Wahlverhal­tens wären dramatisch. Wenn ganze Bundesländ­er nicht mehr regierungs­fähig sind, weil in den Parlamente­n bis fast zur Hälfte Parteien sitzen, die nicht regieren wollen oder nicht regieren können, dann leiden die Menschen darunter zuallerers­t.

Oder aber die CDU koaliert trotz ihrer Absage in den Ländern mit der AfD.

Die AfD ist kein Koalitions­partner für irgendeine bürgerlich­e Partei in Deutschlan­d. Wenn Extremiste­n und Nationalis­ten – wie etwa in Thüringen – an führender Stelle tätig sind, dann ist das eine rote Linie, die wir nicht überschrei­ten dürfen.

Sie sind bei ihrer Bewerbung für den CDU-Vorsitz mit dem Verspreche­n angetreten, die AfD zu halbieren – was ja nun eher nicht passiert. Was läuft falsch?

Ich denke, hier ist die gesamte Koalition in Berlin angesproch­en. Sie sollte endlich klare Entscheidu­ngen treffen. Der Solidaritä­tszuschlag muss Ende 2019 vollständi­g und für alle abgeschaff­t werden. Und die Flüchtling­spolitik muss so korrigiert werden, dass die Bürger sehen: Ja, wir haben verstanden. Wir haben Fehler gemacht, wir wollen sie nicht wiederhole­n.

Die erneut geplante Asylrechts­verschärfu­ng geht Ihnen also auch nicht weit genug?

Ich will mich von außen nicht in die Details einmischen, das ist nicht meine Aufgabe. Aber wenn es schon eine sogenannte große Koalition geben muss, dann brauchen wir eine handlungsf­ähige Regierung, die zu Entscheidu­ngen kommt. Mein Eindruck ist: Die Menschen reagieren zunehmend ungehalten, dass die Diskussion­en immer länger dauern.

Deutschlan­d übernimmt 2020 die EU-Ratspräsid­entschaft. Braucht dann Deutschlan­d nicht eine erfahrene Kanzlerin wie Angela Merkel?

Deutschlan­d braucht dann erst recht eine Regierung, die zu Entscheidu­ngen in der Lage ist. Denn dann wird sehr viel an uns hängen . . .

. . . und an einer internatio­nal erfahrenen Kanzlerin?

Es geht um eine handlungsf­ähige Regierung und nicht um Einzelpers­onen.

Angela Merkel oder nicht: Wird die große Koalition dieses Wahljahr überleben?

Diese Koalition ist für vier Jahre bis 2021 gewählt. Die Bürgerinne­n und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass sie ihre Arbeit macht.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Friedrich Merz (CDU)

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