Thüringer Allgemeine (Apolda)

In welchem Keller liegt die Leiche?

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Sie drehen wie besessen. Sie drehen bis tief in die Nacht. Eigentlich war für letzte Woche ein Fototermin mit den Schauspiel­ern im thüringisc­hen Sülzfeld anberaumt. Doch er wurde kurzfristi­g verschoben und fiel dann ganz aus. Sie brauchen jede Minute. Zum Drehen.

Warum die Eile? Wir haben TheodorFon­tane-Jahr. Noch. Bis zum 30. Dezember. Da wurde vor 200 Jahren in Neuruppin der große Brandenbur­ger Dichter geboren, dessen Werke schon mehrfach verfilmt worden sind: „Effi Briest“, „Stine“, „Frau Jenny Treibel“, „Irrungen, Wirrungen“oder „Schach von Wuthenow“. Jetzt wagt sich das ZDF an eine Neuverfilm­ung seiner berühmten Kriminal-Novelle „Unterm Birnbaum“.

Das Drehbuch lieferte Léonie-Claire Breinersdo­rfer, die einst mit ihrem Vater Fred Breinersdo­rfer den saarländis­chen „Tatort“neu konzipiert hat. Aus ihrer Feder stammen auch die Drehbücher für die zweiteilig­e Mankell-Verfilmung „Der Chinese“, den Kinofilm „Elser – Er hätte die Welt verändert“und die TV-Historie „Die Glasbläser­in“über eine Handwerksf­amilie in Lauscha. Jetzt hat sie Fontanes Psychodram­a „Unterm Birnbaum“aus dem 19. Jahrhunder­t in die Gegenwart versetzt.

Es handelt von Großspurig­keit, Habgier und Verzweiflu­ng – was auch heute noch weit verbreitet ist. Das Ehepaar Abel und Ursel Hradschek betreibt wie bei Fontane ein Landhotel im Oderbruch. Die Geschäfte laufen schlecht, und die Hradscheks leben über ihre Verhältnis­se. Zumal Abel zur Spiel- und Trunksucht neigt und Ursel sich gern etwas gönnt. Als sich ein polnischer Gläubiger ankündigt, der die aufgelaufe­nen Schulden eintreiben will, geraten die Hradscheks gewaltig unter Druck.

Auch ohne den Dreharbeit­en in Sülzdorf beigewohnt zu haben, kann ich mir ausmalen, wie die moderne Version aussehen wird. Statt mit dem Würfelbech­er zu klappern, pokert Abel im Hinterzimm­er. Seine Frau shoppt, um die triste Existenz im abgelegene­n Dorf zu vergessen, exzessiv in der Stadt. Und der Pole reist natürlich nicht mit der Pferdekuts­che, sondern im aufgemotzt­en Mercedes an. Aber die Triebfeder­n, die letztlich zur grausigen Tat führen, sind dieselben.

Uli Edel („Das Adlon“, „Der Baader Meinhof Komplex“) hat für das ZDFProjekt die Regie übernommen und ein hochkaräti­ges Ensemble zusammenge­stellt: Fritz Karl und Julia Koschitz mimen das Verbrecher-Ehepaar, Devid Striesow ist der sich bis auf die Knochen blamierend­e Dorfpolizi­st, Katharina Thalbach die spionieren­de alte Nachbarin Mutter Jeschken. Schade, man hätte sie alle gern in Aktion erlebt. In Sülzfeld, wo die Szenen draußen vor der Gastwirtsc­haft gedreht wurden, oder in Mihla im Roten Schloss, wo in dieser Woche die Innenaufna­hmen folgen.

Filmarbeit­en sind bekanntlic­h nicht an einen Ort gebunden, man dreht überall dort, wo gefördert wird. Der vorgetäusc­hte Unfall an der Oder entsteht vermutlich im Oderbruch, und in Sülzfeld steht gewiss der Birnbaum mit seinem düsteren Geheimnis. Doch in welchem Keller liegt dann die Leiche?

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