Exzentrik trifft auf Unauffälligkeit
Kunstsammlung Jena zeigt mit „Gegenspieler“zwei Fotoprojekte von Erasmus Schröter aus Leipzig
Es sind die Unscheinbaren, jene Menschen, denen man begegnet und die man rasch wieder vergisst, und es sind die Exzentriker, die auffallen wollen und Tabus brechen, die derzeit in der Jenaer Kunstsammlung in einer bemerkenswerten Fotoausstellung aufeinandertreffen. „Gegenspieler“ist die Ausstellung überschrieben, die die beiden Serien „Komparsen“und „Contest“des Leipziger Fotografen Erasmus Schröter umfasst.
Schröter, 1956 in Leipzig geboren, 1985 ausgebürgert aus der DDR, seit 1997 wieder in der Heimatstadt lebend und in den 90ern bekannt geworden durch seine lichtinszenierte Bunkerfotografie, fesselt mit seinen Aufnahmen und Protagonisten ungemein. Beide Gruppen – allesamt Männer – suchen nach medialer Aufmerksamkeit, nach Beachtung. Mehr verbindet sie zunächst nicht. Die „Komparsen“entstehen ab dem Jahr 2000 in Schwarz-Weiß. Tatsächlich stammen diese Männer aus einer Komparsendatei, sind nebenberufliche Kleindarsteller also, die angehalten wurden, in ihrer Alltagskleidung zum Set zu kommen. Diese Orte wiederum sind vom Fotografen bewusst ausgewählt worden. Es sind Räume ohne Aufgaben, Zwischenräume, Behelfsbrücken, Betonstraßen, Gleisanlagen, der alte Messepark – verlassene Orte aus der Vergangenheit also. Subtil beleuchtete Tristesse in allen Grau-Nuancen. In diese Szenarien platziert Schröter seine Protagonisten, unauffällig in praktische Anoraks oder Lederjacken gekleidet, Taschen, Koffer, Beutel oder Kanister tragend oder eine Mistgabel haltend, als gelte es, fest entschlossen etwas zu verteidigen, wo doch nichts außer grauer Betonmauern zu sehen ist. Ebenso grotesk mutet die Szene mit einem Mann an, der in einem Ruderboot vor einer Hauswand auf dem Trockenen sitzt – unbeweglich wie eine Statue mit totem Blick und völlig emotionslos.
Erasmus Schröter beweist ein großes Gespür für Atmosphäre, für die Dramaturgie des Lichts und für absurde Situationen. Er inszeniert seine unscheinbaren Helden, stellt sie in den Mittelpunkt seiner Szene, lässt sie dadurch sichtbar werden.
Anders die Gegenspieler seiner großformatigen, farbigen Serie „Contest“. Ab 2010 fotografiert Schröter beim Leipziger Wave-Gotik-Treffen, taucht in eine Welt exotischer Geschöpfe ein, die sich präsentieren und angeschaut werden wollen, die sich selbst zu Hauptfiguren gemacht haben. Wieder sind die Protagonisten Männer, die durch konsequente Überschreitung von sexuellen, religiösen und moralischen Tabus traditionelle Rollenbilder konterkarieren. Das Gesamtkunstwerk männlicher Körper, verziert mit Leder, Latex, martialischen Ketten, außergewöhnlichen Frisuren, Tätowierungen, in provokanten Uniformen und schriller Kleidung, ist eine Rebellion gegen das Normale, eine Identitätssuche des Mannes in einer Welt, die sich gerade neu erfindet.