Sturzflug und Hochgefühl
Es war sicher ein gewagtes Experiment. Die Bedenken, als Hobbyläufer nur drei Wochen nach dem Darß-Marathon gleich wieder den Rennsteig unter die Füße zu nehmen, ließen sich auch bis zum Start nicht zerstreuen. Wer jedoch einmal in Neuhaus in das bunte Knäuel eingetaucht ist und zum Schneewalzer geschunkelt hat, der kann einfach nicht widerstehen.
Schon im Shuttle-Bus zeichnet sich das Spektrum der Laufverrückten ab. Vorn ruht ein grauhaariger Asket in sich. Mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen träumt er vermutlich von seiner x-ten Teilnahme. Drei Sitzreihen weiter lässt sich ein kräftiger Mann sein Frühstück mit Knackwurst und Brot schmecken. Und links hinten redet ein junges Pärchen pausenlos aufeinander ein. Die Aufregung vor ihrer MarathonPremiere ist nahezu greifbar.
Auch später auf der Strecke sind sie wieder alle unterwegs: junge Wilde und alte Hasen, perfekt Ausgerüstete und Verkleidete, Zeitenjäger und Landschaftsgenießer. Begleitet von der Sonne und klatschenden Zuschauern, aufgemuntert vom Leierkastenspieler und den guten Feen an den Verpflegungspunkten eint alle ein großes Ziel.
Die Beine sind erstaunlich locker. Selbst der Burgberg hinter Neustadt tut nicht ganz so weh wie im Vorjahr. Doch ein übersehener Stein auf dem Weg zum Großen Dreiherrenstein sorgt für ein jähes Ende des Hochgefühls. Der Schreck ist groß, die Landung schmerzhaft. In der linken Wade meldet sich sofort ein Krampf. Zum Glück leisten drei Mitläufer erste Hilfe. Wenig später am Sanitätszelt säubert eine freundliche Dame noch die Wunde am Ellenbogen – weiter geht‘s.
Der Sturz hat offenbar Adrenalin im Körper ausgeschüttet. Es läuft nun fast wie von allein. Hinter Frauenwald folgt ein kurzes Hallo mit Ex-Biathletin Luise Kummer, ehe schon das ersehnte Ziel auftaucht – und mit ihm die Belohnung für sämtliche Strapazen: Mein Schmiedefelder „Fanclub“mit Wilma, Heiko, Marita, Jürgen und Junior-Crosserin Anna hat ein selbst gemaltes Transparent zur Begrüßung aufgespannt. Das Glücksgefühl ist unbeschreiblich und hält noch lange an.
Weil trotz allem die Uhr nach 3:54:30 Stunden und damit fast zweieinhalb Minuten eher stehen bleibt als im letzten Jahr, darf voller Freude konstatiert werden: Experiment geglückt.