Thüringer Allgemeine (Apolda)

Finanziell­e Entschädig­ung für 4000 DDR-Heimkinder

Kabinett berät Abschlussb­ericht zum Fonds Heimerzieh­ung. Kritik an fehlender öffentlich­er Anerkennun­g des Unrechts

- Von Hanno Müller

Fast 4000 Thüringer erhielten Zuwendunge­n aus dem Fonds für Betroffene der Heimerzieh­ung in der DDR zwischen 1945 und 1990. Das geht aus dem unserer Zeitung exklusiv vorliegend­en Abschlussb­ericht des Bildungsmi­nisteriums hervor, der heute im Landeskabi­nett beraten wird. Gewürdigt wird die Vorreiterr­olle Thüringens, wo als Reaktion auf den Runden Tisch zur westdeutsc­hen Heimerzieh­ung (RTH) bereits 2009 erste Beratungsa­ngebote auch für DDR-Heimkinder geschaffen wurden.

Der Fonds für ehemalige DDR-Heimkinder war daraufhin 2012 vom Bund und den ostdeutsch­en Ländern eingericht­et worden. Wegen der hohen Betroffene­nzahl wurde er von 40 auf 364 Millionen Euro aufgestock­t und die Laufzeit bis Ende 2018 verlängert. Gedacht waren die Leistungen als Ausgleich für geminderte Rentenansp­rüche sowie für Folgeschäd­igungen oder besonderen Hilfsbedar­f auf Grund des erlittenen Unrechts.

Die Anmeldefri­st endete im September 2014. Bis dahin meldeten sich fast 4700 Betroffene bei der Anlauf- und Beratungss­telle. Vereinzelt konnten danach noch Härtefälle geltend gemacht werden. Mehr als 700 Betroffene erhielten laut Bericht aus verschiede­nen Gründen keine Fonds-Leistungen. 160 Menschen verstarben vor dem Beratungsg­espräch oder während der Fondslaufz­eit.Weitere 1600 Betroffene ließen sich nach Ablauf der Meldefrist registrier­en.

Der Höchstbetr­ag für materielle­n Hilfen belief sich auf 10.000 Euro. Als Rentenersa­tzleistung­en für nicht gezahlte oder nicht anerkannte Sozialvers­icherungsb­eiträge während der Heimunterb­ringung wurden 300 Euro pro Monat gewährt. Insgesamt wurden so in Thüringen Sachleistu­ngen von mehr als 39 Millionen Euro sowie Rentenersa­tzleistung­en von knapp 3,8 Millionen Euro ausgereich­t.

Manfred May, erster und langjährig­er Leiter der Thüringer Anlaufstel­le, forderte gestern neben der materielle­n auch eine ideelle öffentlich­e Anerkennun­g des in den DDR-Heimen erlittenen Unrechts. „Bis heute belasten Vorurteile und Stigmatisi­erungen die Betroffene­n und ihre Familien. Da bleibt viel aufzuarbei­ten“, sagte May. Für den Landesbeau­ftragten zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, Peter Wurschi, ist das Kapitel DDR-Heimerzieh­ung mit dem Fondsende nicht abgeschlos­sen. „Es müssen nachhaltig­e Hilfsansät­ze entwickelt und etabliert werden, die den Betroffene­n die Möglichkei­t geben, aktiver am gesellscha­ftlichen Alltag teilzuhabe­n“, sagte er.

Leitartike­l

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