Ein Horror-Prozess
Ehepaar soll eigene Kinder missbraucht und die Entführung einer Mutter geplant haben, um an ihre Babys zu kommen
Es sind fürchterliche Taten, die Staatsanwältin Iris Konrad-Weber gestern den beiden Angeklagten vorwirft. Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung, gemeinsamer Menschenhandel, versuchte Entziehung von Kindern. Die Anklage enthält Worte wie Schuldknechtschaft, Sklave oder Fortpflanzen der Sippe. Vieles was verlesen wird, ist so unfassbar, so unmenschlich, dass die Zuhörer teils schockiert reagieren.
Die angeklagten Ehepartner lassen dagegen am Landgericht Meiningen keine Regung erkennen. Die 39-jährige Andrea Barbara M. und der 45-jährige Patrick M. sollen vergangenen September eine Bekannte überredet haben, zu ihnen in ihr Haus zu kommen. Sie hätten dort preiswerte Kinderkleidung. Die junge Mutter kam mit ihren drei Monate alten Zwillingen.
Junge Mutter konnte nach zwei Wochen fliehen
Laut Staatsanwaltschaft wollte das Pärchen aus Ritschenhausen im Kreis Schmalkalden-Meiningen der Frau keine Babysachen verkaufen. Viel mehr sollen es die beiden auf die Zwillinge abgesehen haben.
Offenbar setzten sie die junge Frau, die in einem Mutter-KindHeim zur Betreuung wohnte, unter Druck. Wenn sie zu spät in ihre Unterkunft zurückkomme, soll ihr laut Anklage gesagt worden sein, könne sie das Sorgerecht für ihre Zwillinge verlieren. Die junge Mutter kehrte vorerst nicht in das Wohnheim zurück. Erst zweieinhalb Wochen später gelang ihr mit ihren Babys die Flucht.
Das Pärchen soll weiterhin geplant haben, die beiden Babys künftig als ihre eigenen Kinder auszugeben und die 31-Jährige von einen Internetbekannten ins Ausland schleusen zu lassen. Laut Staatsanwaltschaft sei an einen Verkauf nach Gambia in Afrika gedacht worden.
Genauso unerträglich hören sich die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Kindern an. Der Vater soll zwei seiner Jungen, die heute sechs und acht Jahre alt sind, mehrfach missbraucht haben. Seine Frau hat das offenbar nicht verhindert.
Eine Heimbetreuerin schildert gestern als Zeugin den vernachlässigten und zurückgebliebenen Zustand von vier der sechs Kinder der Angeklagten. So war bei allen vier eine ZahnOperationen notwendig, um das Gebiss wieder in Ordnung zu bringen. Bei einem der Mädchen im Vorschulalter sei kein einziger Zahn mehr gesund gewesen, betont die Betreuerin. Zudem hätten Verletzungen nach Angaben der Zahnärztin auf Gewalteinwirkung hingedeutet. Teilweise hätten die Kinder Albträume, würden sich zurückziehen, Körperkontakt vermeiden oder Angstzustände bekommen. Lautes Ansprechen könne zu Schockstarre führen, erzählt die Zeugin.
Die Kinder seien vergangenen Dezember nach der Festnahme ihrer Eltern in die heilpädagogische Wohngruppe der Jugendhilfe gekommen. Seit März verbessere sich aber ihr Zustand.
„Zeig dein Gesicht“ruft eine der Zuschauerinnen im gut besetzen Saal dem Angeklagten Patrick M. entgegen, als er sich beim Betreten des Gerichts hinter einem Blatt Papier versteckt.
Beide Eheleute schauen sich während der Verhandlung nicht an. In einer einstündigen Pause beraten sich die Richter und Schöffen der Jugendkammer mit der Staatsanwältin und den beiden Verteidigern. Zuvor hatte Richterin Manuela Pallasch die Angeklagten nachdrücklich darauf hingewiesen, dass sie mit eigenen Aussagen den misshandelten Kindern eine Vernehmung vor Gericht ersparen könnten.
Zum Ende der gestrigen Verhandlung beantragt die Verteidigerin, die Öffentlichkeit auszuschließen. Sie wolle für ihre Mandantin eine Erklärung verlesen. Das Gericht stimmt dem zu, um unter anderem die Opfer zu schützen.
Inhalte der Aussage der Ehefrau wurde gestern nicht bekannt. Allerdings versicherte der Verteidiger des Ehemannes zum Abschluss, dass auch sein Mandant aussagen werde und der Sohn nicht für eine Befragung geladen werden müsse.
Angeklagte Ehefrau lässt Erklärung verlesen