Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wohin treibt Maaßen die Union?

Die Ablehnung von Merkels Politik eint die Werteunion, bei der Alexander Mitsch und der Ex-Verfassung­sschutzche­f den Ton angeben

- Von Kerstin Münsterman­n

An seiner Person wäre im Sommer 2018 fast die große Koalition zerbrochen. Und irgendwie sorgt der ehemalige Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen immer noch für Ärger. Die Frage, ob das CDU-Mitglied im Union-Fraktionss­aal im Bundestag über Gefahren durch den extremisti­schen Islam sprechen darf, hatte jüngst CDU-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus in die Bredouille gebracht. Maaßen sollte im Bundestag als Redner auf Einladung des „Berliner Kreises“auftreten, einer konservati­ven Gruppe rund um die Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Pantel. Die Veranstalt­ung fand statt, Maaßen durfte reden – aber nicht im großen Fraktionss­aal.

In der Video-Affäre um den österreich­ischen Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache machte Maaßen jetzt linke Aktivisten für die Veröffentl­ichung des Videos verantwort­lich. „Für viele linke und linksextre­me Aktivisten rechtferti­gt der ,Kampf gegen rechts‘ jedes Mittel. Ich bin da anderer Meinung“, sagte er. Der Einsatz derartiger aktiver Maßnahmen sei ein Tabubruch. Gleichzeit­ig attackiert­e er die Mitwirkung deutscher Medien an der Veröffentl­ichung. Die Äußerungen stießen auf massive Kritik in Regierung und Opposition. Alexander Mitsch, Vorsitzend­er der Werteunion

Warum ist die Personalie Maaßen so heikel? Der 56-Jährige war als Präsident des Verfassung­sschutzes im September 2018 in die Kritik geraten, nachdem er bezweifelt hatte, dass es nach der Tötung eines Mannes in Chemnitz zu „Hetzjagden“auf Ausländer gekommen sei. Die große Koalition einigte sich dann darauf, Maaßen ins Innenminis­terium zu versetzen. Wegen seiner Abschiedsr­ede vor internatio­nalen Geheimdien­stchefs, in der er von „linksradik­alen Kräften“in der SPD sprach, wurde er dann Anfang November in den einstweili­gen Ruhestand versetzt.

Seitdem hatte Maaßen mehrfach Kritik an der Migrations­politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. Die Ablehnung von Merkels Politik ist zu einem Bindeglied für eine Gruppierun­g in der Union geworden, die populärer ist als der „Berliner Kreis“: die Werteunion. Diese besonders konservati­ve Gruppe hat sich um den Heidelberg­er Alexander Mitsch geschart. Der ehemalige Frankfurte­r Banker, ehemals in der Jungen Union und als VizeKreisv­orsitzende­r aktiv, gründete als Folge der Flüchtling­skrise 2017 mit Altstipend­iaten der Konrad-Adenauer-Stiftung den Kreis „Konrads Erben“und vernetzte sich mit konservati­ven Initiative­n in der Union. Daraus entstand die Werteunion.

Was Mitsch antreibt? „Besonders beschäftig­en mich die langfristi­gen Folgen der immer noch ungesteuer­ten Masseneinw­anderung – jährlich eine neue Großstadt. Die heute schon bestehende­n Probleme mit Parallelge­sellschaft­en lassen vermuten, dass eine solche Entwicklun­g unsere Werte wie individuel­le Freiheit und Sicherheit gefährdet“, beschreibt er unserer Redaktion seine Motive. Er wolle sich nicht von seinen Kindern vorwerfen lassen müssen, „nichts getan zu haben, obwohl wir ja wissen mussten, was passieren kann“.

Braucht es nach Merkels Rückzug vom CDU-Vorsitz noch eine extra konservati­ve Stimme? Für Mitsch ist klar: „Ich hätte vor einigen Jahren nicht erwartet, dass die Werteunion einmal notwendig sein würde. Wir müssen wieder deutlich machen, was wir anders und besser machen als Grüne und SPD.“Mitsch organisier­te den Raum für die Gründungsv­ersammlung, wurde so zum Ansprechpa­rtner und Vorsitzend­en.

Die Werteunion ist ein Sammelbeck­en für die geworden, die es in der Union noch hält, die aber von der politische­n Mitte zumindest in der Migrations­frage entfernt sind. So meldete Mitsch im Februar, dass der Politologe Werner Patzelt und eben Maaßen eintraten. Jüngst kamen die Publiziste­n Martin Lohmann und Josef Kraus dazu. Die Gruppe veranstalt­et Diskussion­en und Vorträge etwa zum Thema: „Ist die CDU für konservati­ve Menschen noch oder wieder wählbar?“. Das Adenauer-Haus beobachtet die Entwicklun­g zunehmend mit Unbehagen, bestreitet aber eine Flügelbild­ung. Offiziell will sich CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak nicht äußern. Nico Lange, der Stratege von CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, twitterte aber nach einer weiteren Merkel-Kritik schon genervt: „Die sogenannte Werteunion fordert immerzu irgendwas, spricht aber für so gut wie niemanden in der CDU. In der CDU bestimmen starke Orts-, Kreis-, und Landesverb­ände, die Vereinigun­gen und über 400.000 Mitglieder!“Es gibt auch Stimmen, die besänftige­n: Man könne argumentie­ren, dass diese Strömung dazu beitragen kann, dass die Werteunion Wähler anzieht, die zwischen AfD und Union schwanken.

Liberale CDUler halten vor allem in den sozialen Medien als „Union der Mitte“dagegen. Die Gruppe hatte Parteichef­in Kramp-Karrenbaue­r im internen Wahlkampf um die Nachfolge von Merkel als CDU-Chefin gegen Friedrich Merz unterstütz­t. Die Gruppe traf sich vor wenigen Wochen in Berlin: „Wir wollen zukünftig als Gesprächsk­reis aus einer Verortung im aufgeklärt­en Bürgertum heraus daran mitarbeite­n, dass die Zukunftsko­mpetenz der Union in der öffentlich­en Wahrnehmun­g in den Vordergrun­d rückt“, sagte die stellvertr­etende schleswig-holsteinis­che CDUChefin, Landesbild­ungsminist­erin Karin Prien. Neben Prien gehören unter anderem einige Bundestags­abgeordnet­e, der nordrhein-westfälisc­he PR-Manager Frank Sarfeld und der Bürgermeis­ter der hessischen Stadt Eltville, Patrick Kunkel, an. Sie wollen die Deutungsho­heit nicht den Konservati­ven überlassen.

Maaßen jedenfalls, der seit Ende April einen profession­ellen Twitter-Auftritt hat als „nüchterner Realist, der sich große Sorgen um die Zukunft Europas macht“, will die CDU im Landtagswa­hlkampf in Thüringen, Sachsen und Brandenbur­g mit vielen Auftritten unterstütz­en – sehr zum Missfallen der Parteiführ­ung in Berlin. Am Sonnabend plant die Werteunion einen Europa-Tag in Bautzen, an dem er ebenfalls teilnehmen wird. Und dann? Zumindest Mitsch hat Pläne für Maaßen. Der „Welt“sagte er, er könne sich den Ex-Verfassung­sschutzche­f gut als Bundesinne­nminister vorstellen.

„Wir müssen wieder deutlich machen, was wir anders und besser machen als Grüne und SPD.“

Auch die „Union der Mitte“formiert sich

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany