Wir ziehen die Kappe!
Die Sportwelt verneigt sich vor dem verstorbenen Niki Lauda, der schon zu Lebzeiten eine Legende war
„In meiner Generation musste man sich ständig fragen, ob Dir der Sport Dein Leben wert ist. So was prägt den Charakter schon sehr.“
Still stehen. Das ist so gegen alles, was Andreas Nikolas Lauda je gelebt hat. Ständig in Bewegung, meistens am Limit. Mit ganzem Herzen, größtmöglicher Konsequenz und voller Leidenschaft. Bis zum Herzstillstand am Montag. Der Körper hat über die Sturheit gesiegt. Vom Tod gezeichnet war er seit Jahrzehnten, seit dem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring. „So siehst du halt aus, wenn du 50 Sekunden im Feuer hockst“, kommentierte der Wiener die Verbrennungen an Kopf und Körper mit Schmäh in eigener Sache. Der ewige Extremist.
Es ist nicht nur sein Herz, sondern die ganze Rennwelt steht still–inderWochevordemGroßen Preis von Monaco. Insbesondere natürlich die von Mercedes, seiner zweiten Heimat nach Ferrari. Motorsportchef Toto Wolff, sein kongenialer Partner seit 2013, zeigt sich schwer mitgenommen: „Niki wird immer eine der größten Legenden unseres Sports bleiben. Er verkörperte Heldentum, Menschlichkeit und Aufrichtigkeit auf und abseits der Strecke.“Wolff, ebenfalls zutiefst Wiener, würdigt Art und Charakter Laudas: „Er hinterlässt eine tiefe Lücke in der Formel 1. Wir haben nicht nur einen Helden verloren, der das wohl eindrucksvollste Comeback aller Zeiten gegeben hat, sondern auch jemanden, der wertvolle Klarheit und Offenheit in die moderne Formel 1 gebracht hat. Wir werden ihn als Stimme der Vernunft sehr vermissen.“
Gespräche mit dem Formel-1Weltmeister Niki Lauda waren grundsätzlich vom Renntempo bestimmt, wie sollte es auch anders sein. Einfache Fragen, klare Antworten, auch für komplizierte Sachverhalte. Als würde er immer noch das RTL-Mikrofon in der Hand halten. Pointiert, aber nicht um der Pointe wegen, sondern weil er so war. Analytisch, kompromisslos, so hart gegen andere wie gegen sich selbst. Und das nicht nur in Worten. Manchmal waren die Gespräche noch kürzer, es gab nicht mal den Ansatz seines Wiener Schmäh, und das spöttische Grinsen aus seinem Gesicht war verschwunden. Es kam ein kehliges „Ja“oder ein „Nein“. Aber nie ein „vielleicht“.
Ein Hardliner, mit großem Geschick. Ein Rennfahrer, der sich alles hart erarbeiten musste. Ein Geschäftsmann, der es als Rebell mit allen Instanzen aufnahm. Ein Teamchef, der intuitiv wusste, was zu tun oder zu lassen war. Ein Familienvater mit einer immer noch klaren, aber auch sehr weichen Seite. Am wohlsten fühlte er sich, wenn er über den Wolken war. Kein Träumer, sondern ein Enthusiast. Bei allen Regeln in der Luft fand er dort doch seine große Freiheit, eine Steigerung noch zum Renncockpit: Selbst sein Schicksal zu bestimmen.
Im August vergangenen Jahres hatte Niki Lauda eine neue Lunge erhalten. Durch Spätfolgen seines Feuerunfalls 1976 musste er sich zudem zweimal einer Nierentransplantation unterziehen. Das letzte Lebenszeichen des bekennenden Wieners war eine Audiobotschaft anlässlich des 70. Geburtstags im Februar gewesen: „Ich komme wieder zurück und es geht volle Pulle bergauf.“
Nicht nur die Formel 1, die am Wochenende in Monte Carlo um den Großen Preis von Monaco fährt, trägt Trauer. Die SportWelt hat einen ganz Großen verloren, auch einen großen Charismatiker. Servus, Niki.
Es ist ein langer, kurvenreicher Lebensweg vom Teenager, der sich ein VW Cabriolet Baujahr 1949 kauft und damit gegen den Willen des Vaters Rennfahrer spielt, bis zum Formel-1Champion und dem MercedesTeamaufsichtsrat Lauda. Den Sprung an die Spitze schaffte er aus eigener Kraft, als er 1973 in Monte Carlo den Ferrari von Jacky Ickx mit einem BRM auf Distanz halten konnte – Enzo Ferrari wollte daraufhin den jungen Mann unbedingt im roten Cockpit haben.
Zehn Jahre lang waren die Italiener erfolglos in der Königsklasse, mit Laudas Ankunft aber kehrte der Erfolg zurück – der 312 B 3 ist ein Rennwagen mit Perspektive. Nur nicht zuverlässig genug, dass es gleich 1974 mit dem Titel klappte, dafür aber mit Laudas erstem von 25 GrandPrix-Siegen. Legendär wurde das neue Modell 312 T, mit dem der Pilot fünf Rennen und am Ende auch den Titel gewann – es ist der einzige Formel-1-Rennwagen, der auf der Nordschleife des Nürburgrings eine Runde unter sieben Minuten drehen konnte. Ein Jahr später kam es in der Eifel dann zum schicksalhaften Feuerunfall, dessen genaue Ursache nie geklärt wurde, irgendetwas war hinten an seinem Ferrari gebrochen.
Dank seines unbändigen Willens saß Lauda 42 Tage später wieder im Rennwagen, wurde Vierter auf der gefährlichen Hochgeschwindigkeitspiste von Monza und verpasst den Titel am Ende nur um einen Punkt. Dreimal wurde Lauda insgesamt Champion, ein Comeback-König.
Wir ziehen die Kappe!