Milliardengeschäft mit E-Tretrollern
Die Scooter werden bald in Deutschland zugelassen. Hersteller und Leihfirmen haben sich in Position gebracht
Schon im Juni könnte es so weit sein: Dann fahren womöglich die ersten E-Tretroller durch die Straßen der deutschen Städte. Nachdem der Bundesrat vor einer Woche grünes Licht für die E-Scooter gab, billigte nun auch das Bundeskabinett die von der Länderkammer vorgeschlagenen Änderungen, nach denen die Fahrer mindestens 14 Jahre alt sein müssen und die Vehikel auf Gehwegen verboten sind. Damit ist der Weg für die Zweiräder frei. Nicht nur bei Rollerfans lösen die elektrischen Flitzer Vorfreude aus, auch viele Unternehmen sehnen die Zulassung herbei – und wittern ein Milliardengeschäft.
Erste Marktprognosen liefern rosige Aussichten, sowohl für Hersteller als auch für Verleihfirmen. Der Unternehmensberater McKinsey beziffert das Umsatzpotenzial bis 2030 von Mikromobilität, zu der Elektroroller, E-Bikes und E-Tretroller zählen, in Deutschland auf bis zu zehn Milliarden Dollar, umgerechnet also rund neun Milliarden Euro. Vor allem für Verleihfirmen seien E-Tretroller interessant, meint Kersten Heineke, Studienautor und Mobilitätsexperte von McKinsey. „Sharing wird in der Mikromobilität gut funktionieren. Anders als beim Carsharing sind die Investitionen in die Anschaffungen relativ gering“, sagte Heineke unserer Redaktion. Bei Anschaffungskosten von rund 360 Euro würden Leihfirmen nach rund vier Monaten ein profitables Geschäft machen.
Das Manko dabei: Aktuell halten viele Roller gar nicht so lange, oft sind die Scooter schon nach einem Monat kaputt. „Ab der zweiten und dritten Generation werden die E-Scooter aber profitabel werden. Selbst wenn die Anschaffungskosten von aktuell 400 Dollar auf 600 Dollar steigen sollten, sind die Anschaffungskosten im Vergleich zum Carsharing immer noch gering“, sagte Heineke. Bereits im Sommer könnte die zweite E-RollerGeneration kommen.
Schon vor der Marktzulassung deutet sich an, dass der Markt der Sharing-Unternehmen umkämpft sein wird. Mit Bird und Lime stehen die beiden amerikanischen Marktführer in den Startlöchern. Während Lime auf Anfrage mitteilte, dass sich für den Deutschland-Start Städte wie Düsseldorf, Köln oder Dortmund in der engeren Auswahl befänden, hält sich Bird bedeckt. Man freue sich auf die baldige Zusammenarbeit mit weiteren Städten in Deutschland, könne aber noch keine konkreten Angaben machen, welche Städte man genau im Blick habe, heißt es von Bird. „Große Sharing-Unternehmen wie Bird und Lime können einerseits einen Startvorteil haben, da sie mehr Erfahrung, trainierte Algorithmen und viel Kapital haben. Andererseits können lokale Anbieter einen Vorteil haben, weil sie besser auf die Städte, den ÖPNV und auch auf die Anwohner zugehen können“, sagte Heineke.
Genau diese Strategie fährt die Daimler-Tochter Mytaxi, die mit ihrem E-Tretroller-Service „hive“bereits in Lissabon, Athen, Paris, Warschau, Wien und Breslau Erfahrungen gesammelt hat und sich derzeit in engem Austausch mit verschiedenen Städten über mögliche Kooperationen befindet. Zum Start der Zulassung wird hive aber wohl noch nicht vertreten sein. „Wir sind davon überzeugt, dass eine hohe Qualität in Produkt und Service am Ende wichtiger als die Startgeschwindigkeit sein wird“, sagte hive-Geschäftsführer Torres Velat unserer Redaktion. Die strengen Reglementierungen in Deutschland erforderten unter anderem, dass Mytaxi nicht auf das im Ausland verwendete Modell eines Segway-E-Scooters könne.
Bereits auf die Zulassung vorbereitet ist dagegen der Hamburger E-Scooter-Hersteller Urban Electrics. Das 2011 gegründete Start-up hat seine bisher nicht straßenverkehrsordnungszulässigen Produkte nachgerüstet. Die Zulassungsdebatte im Bundesrat verfolgte die 22-köpfige Belegschaft im Livestream. Parallel dazu habe es einen rasanten Anstieg an Bestellungen gegeben. zurückgreifen
Umsatz wird wohl schon in diesem Jahr achtstellig
Gründer und Geschäftsführer Florian Walberg appelliert nun an die Leihfirmen, vernünftig und achtsam mit der Zulassung umzugehen. „Das wahre Potenzial dieser Revolution ist vielen noch gar nicht bewusst. Größter Anspruch wird es nun sein, dass Anbieter für Verleihkonzepte die Reputation dieser Innovation nicht schwächen, bevor der wahre Nutzen überhaupt spürbar ist“, sagte Walberg unserer Redaktion. In diesem Jahr kalkuliert Urban Electrics, dass zwischen Juli und Dezember 10.000 bis 15.000 E-Tretroller verkauft werden können, das Umsatzziel für das laufende Jahr liegt bei 12,5 Millionen Euro.
Auch die Autobauer BMW und Volkswagen haben das Geschäft mit den E-Tretrollern längst wahrgenommen. Während VW mit dem chinesischen Start-up Niu eine Kooperation geschlossen hat und gemeinsam das Modell „Streetmate“produzieren möchte, ist BMW-Motorrad mit dem X2City bereits auf dem Markt vertreten. In Kooperation mit dem Handelspartner Kettler vermarktet BMW den rund 2500 Euro teuren Roller, der bereits seit einigen Monaten die Zulassung für die Straßenverkehrsordnung erfüllt. Da das Modell mit seinen 20 Kilogramm aber insbesondere für Pendler, die das Vehikel mit in den Zug oder Bus nehmen, eher ungeeignet ist, legte die BMWGruppe am Donnerstag nach und gab bekannt, dass ab September ein neun Kilogramm schweres Modell auf den Markt gebracht werde.