Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Spiegel“-Bericht belastet Relotius-Förderer

Kommission ist sicher, dass der Betrug des Journalist­en früher hätte gestoppt werden können

-

Am heutigen Freitag gegen zwölf Uhr wird der „Spiegel“den Abschlussb­ericht zum Fall Claas Relotius veröffentl­ichen – gut fünf Monate, nachdem die Betrügerei­en des früheren Redakteurs aus dem Gesellscha­ftsressort publik wurden. Der vielfach preisgekrö­nte Journalist hatte über Jahre hinweg 55 „Spiegel“-Storys komplett oder in Teilen erfunden. Der Abschlussb­ericht einer Kommission belastet nach Informatio­nen dieser Redaktion zwei Relotius-Förderer schwer.

Die „Welt am Sonntag“hatte bereits Mitte des Monats berichtet, der damalige Leiter des Gesellscha­ftsressort­s, Matthias Geyer, habe noch Anfang Dezember 2018 eine gefälschte Relotius-Geschichte ins Blatt gehoben, obwohl ihm zwei Wochen zuvor „Tonnen von belastende­m Material“vorgelegt worden seien. Laut dem Bericht war aber auch Geyers Vorgänger Ullrich Fichtner über die Vorwürfe gegen Relotius früh im Bilde.

Erhoben hatte diese der „Spiegel“-Reporter Juan Moreno. In dem Mitte November erschienen­en Stück „Jaegers Grenze“war er Relotius’ Co-Autor. Dabei fiel ihm auf, dass die von dem Kollegen zugeliefer­ten Teile erhebliche Unstimmigk­eiten enthielten. Nachrecher­chen Morenos ergaben, dass Relotius nicht geschlampt, sondern massiv gefälscht hatte. Sein Recherchem­aterial präsentier­te er Geyer.

Der Ressortlei­ter konfrontie­rte Relotius mit den Vorwürfen Morenos, ohne dass dies irgendwelc­he Folgen gehabt hatte. Im Gegenteil: Geyer und Fichtner ließen es zu, dass in der „Spiegel“-Ausgabe vom 1. Dezember in die Titelgesch­ichte zum Klimawande­l eine Reportage von Relotius aus dem pazifische­n Inselstaat Kiribati montiert wurde („Mittlerwei­le hängen, kilometerw­eit entlang der Küste, nur noch braune abgestorbe­ne Blätter von den Wipfeln.“). In Kiribati ist Relotius nie gewesen.

Es vergingen fast zwei weitere Wochen, ehe Fichtner und Geyer endgültig von Relotius’ Schuld überzeugt waren: Bei einem Treffen bei Fichtner gab der 33-Jährige am 13. Dezember zu, „Jaegers Grenze“und andere Stücke erfunden zu haben. Einen Tag später informiert­en die beiden Steffen Klusmann, seinerzeit noch designiert­er „Spiegel“-Chefredakt­eur. Die damals amtierende­n „Spiegel“-Chefredakt­eure, Susanne Bayer und Dirk Kurbjuweit, wurden erstaunlic­herweise erst am 17. Dezember von Relotius’ Verfehlung­en in Kenntnis gesetzt. (khr)

 ?? FOTO: URSULA DÜREN ?? Claas Relotius
FOTO: URSULA DÜREN Claas Relotius
 ??  ?? Für den britischen Schauspiel­er
Für den britischen Schauspiel­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany