Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Macron hat kein Vetorecht“

Drei Fragen an Günther Oettinger

- Von Jochen Gaugele

Freuen kann man sich über das Ergebnis in Bremen. Dass man dort laut Prognose vor der SPD landete, macht den Bürgerlich­en Mut. Selbst wenn am Ende keine schwarz angeführte Regierung herauskomm­t. Aber, so die Hoffnung, eine schwarzgrü­n-gelbe Regierung könnte ein Signal für den Bund sein.

AKK hat die CDU seit ihrem Sieg über ihren Herausford­erer Friedrich Merz bei der Wahl zum Parteivors­itz befriedet. Sie ist auf ihre Kritiker zugegangen, hat den Wirtschaft­sflügel durch die Einbindung von Merz und deutliche Positionen in der Migrations­frage beruhigt. Unterschät­zt hat sie möglicherw­eise dabei die Frau, die sie nach Berlin geholt hat und deren Nachfolger­in sie werden will. Angela Merkel hat sich aus der Innenpolit­ik zwar öffentlich weitestgeh­end verabschie­det, macht aber keine Anstalten, sich vorzeitig zurückzuzi­ehen. Im Gegenteil, an ihr wird es liegen, wie gut sich die deutschen Posten und Positionen in Brüssel niederschl­agen.

Kramp-Karrenbaue­r habe zuletzt handwerkli­che Fehler begangen, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. Die Union habe sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass das Dauerthema Migration aus den Schlagzeil­en verschwind­e. Doch auf das Megathema Klimaschut­z, das vor allem die „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen populär machte, habe man zu spät reagiert. Und keine einheitlic­he Position gehabt. Die Kanzlerin hat die Schüler-Demos gelobt. Von Kramp-Karrenbaue­r hieß es dazu, sie würde ihren Kindern dafür keine Entschuldi­gung schreiben. Diese Zweideutig­keit wurde abgestraft.

Am Wahlabend sprach unsere Redaktion mit dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger über die Folgen der Europawahl.

Ein historisch schwaches Wahlergebn­is für die Christdemo­kraten bei der Europawahl. Schwinden die Chancen Ihres Spitzenkan­didaten Manfred Weber, Nachfolger von JeanClaude Juncker an der Spitze der EU-Kommission zu werden?

Die christdemo­kratische EVP ist stärkste Fraktion im Europäisch­en Parlament – vor den Sozialiste­n und Demokraten. Und das Parlament hat mehrfach erklärt, dass nur ein Spitzenkan­didat als Kommission­spräsident wählbar ist. Damit kommen viele nicht in Frage. Und der sozialisti­sche Spitzenkan­didat Frans Timmermans sollte mal nachschaue­n, wie Martin Schulz vor fünf Jahren das Wahlergebn­is bewertet hat. Martin Schulz hat als unterlegen­er Spitzenkan­didat noch in der Nacht dem Erstplatzi­erten Jean-Claude Juncker gratuliert – und ihm seine Unterstütz­ung zugesagt, um Kommission­spräsident zu werden. Das war damals demokratis­ch logisch und kann heute nicht falsch sein.

Den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron wird das nicht sonderlich beeindruck­en …

Es wäre mit Sicherheit sinnvoll, wenn wir die allererste Reihe Europas – es geht ja um fünf Positionen – mit Frankreich auswählen könnten. Aber Macron hat kein Vetorecht. Ich erinnere daran, dass sich beim letzten Mal der britische Premiermin­ister David Cameron und der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán gegen Juncker ausgesproc­hen haben – und trotzdem wurde Juncker Kommission­spräsident. Hier gilt keine Einstimmig­keit.

Also wird Macron überstimmt, wenn er sich gegen Weber stellt?

Wir werden alles tun, um Manfred Weber an die Spitze der EUKommissi­on zu bringen. Die EVP ist zwar schwächer als vor fünf Jahren, aber immer noch die stärkste Fraktion.

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FOTO: DPA Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger.

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