CDU siegt im roten Bremen
Manches deutet aber auf ein künftiges Bündnis aus SPD, Grünen und Linken hin
Die CDU hat vieles richtig gemacht in ihrem Landtagswahlkampf in Bremen. Die Wahl des Fernsehprogramms auf der Wahlparty gehörte nicht dazu. In der ARD ging es gestern Abend um 18.00 Uhr erst vier Minuten lang nur um die Europawahl. Dann erschien die erste Prognose für das kleinste deutsche Bundesland auf dem großen Monitor – und die CDU-Anhänger konnten in Jubel ausbrechen. Die Junge Union skandierte „Carsten, Carsten!“
Carsten Meyer-Heder, dem Spitzenkandidaten der Partei, ist in Bremen das fast Unmögliche gelungen: Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Partei in der Hansestadt stärkste Kraft werden – jedenfalls deutete am Abend alles darauf hin. Um Gewissheit zu haben, mussten sich die CDU-Anhänger noch weitere Stunden gedulden. Schuld war das komplizierte Wahlrecht in der Hansestadt und die zeitgleiche Auszählung der Europawahl. Die ersten Hochrechnungen gab es deshalb erst spätabends. Endgültige Klarheit herrscht sogar erst am Mittwoch, dann soll das amtliche Endergebnis vorliegen.
Fakt ist aber: Die CDU hat erstmals eine reale Chance, den Zwei-Städte-Staat zu regieren, zu dem außer Bremen auch das 50 Kilometer nördlich gelegene Bremerhaven gehört. Ob das am Ende auch wirklich klappt, müssen nun Koalitionsverhandlungen zeigen. Weil mehrere Konstellationen denkbar sind, werden die Gespräche nicht einfach. Ziel der CDU ist ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen und der FDP. Rechnerisch möglich ist auch eine rot-rot-grüne Koalition, in der die SPD mit Linken und den Grünen paktiert. Die Grünen sind also die Königsmacher. Nach zwölf Jahren in der Regierung konnten sie erneut zulegen.
SPD-Bürgermeister Carsten Sieling sah am Wahlabend trotz der herben Verluste und trotz schlechter persönlicher Umfragewerte noch keinen Anlass, seinen Posten zur Verfügung zu stellen. Er spüre „Rückendeckung“seiner Parteifreunde, sagte Sieling. Ob es mit ihm aber weitergehe, werde die SPD an diesem Montag besprechen. Für ihn, das hatte er auf den letzten Metern des Wahlkampfes gesagt, gebe es nur eine denkbare Koalition, nämlich Rot-RotGrün. Eine große Koalition schloss Sieling aus: „Das gilt auch jetzt noch.“
Nicht nur die SPD, sondern auch die CDU will sich nun um die Grünen bemühen. „Wir haben den deutlichen Auftrag, eine Regierung zu bilden“, sagte Kandidat Meyer-Heder. „Die Bremer wollen nicht mehr, dass die SPD regiert.“Er glaubt, dass er mit Grünen und FDP eine Regierung auf die Beine stellen kann. Die Grünen aber lassen sich nicht so ohne Weiteres vereinnahmen – weder von der SPD, noch von der CDU. „Wir gucken, in welchem Bündnis am meisten Grün möglich ist“, sagte Spitzenfrau Maike Schaefer. Gesetzt sei noch keine Koalition. Bei einem Jamaika-Bündnis könne es Schwierigkeiten mit den Positionen der FDP zu Verkehr und Klimaschutz geben. Die Linke wolle die Schuldenbremse lockern, was die Grünen ablehnten.
Dass die Sozialdemokraten nach mehr als 70 Jahren an der Macht nicht mehr sicher den Regierungschef stellen können, ist aus ihrer Sicht schon schlimm. Dass sie gegen einen politischen Seiteneinsteiger verloren, der vor einem Jahr erst in die CDU eingetreten war, schmerzt doppelt. „Ich bin kein Politiker“, hatte CDU-Kandidat Meyer-Heder im Wahlkampf immer wieder betont. Aus seinen Wissenslücken bei vielen Themen machte der frühere Hippie und erfolgreiche Firmengründer keinen Hehl. Bürger, die gegen das etablierte politische System stimmen wollten, mussten in Bremen ihre Stimme nicht der AfD geben, sondern konnten auch die CDU wählen.
SPD-Mann Sieling dagegen, der seit mehr als 25 Jahren Politik macht, gelang es nicht, sich einen Amtsbonus zu verschaffen. Eine Wahl gewann er noch nie. 2015 kam er an die Macht, weil sein Vorgänger wegen des bis dahin schlechtesten Wahlergebnisses zurücktrat – damals waren das rund 33 Prozent. Heute würden die Sozialdemokraten darüber jubeln.