Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wie bei Hitchcock

Thüringer HC holt zum dritten Mal den Handball-Pokal. Bölk trifft zwei Sekunden vor Schluss zum 24:23

- Von Axel Lukacsek

Als Emily Bölk den silbernen Pokal in den Händen hielt, wischte sie sich an einem Nachmittag voller Emotionen eine Träne aus den Augen. „Als das Netz gezappelt hat, war ich einfach nur noch glücklich. Ich wusste, dass nur noch wenig Zeit war. Deshalb wollte ich werfen, bevor einfach so die Uhr abgelaufen wäre“, sagte die Nationalsp­ielerin vom Thüringer HC, die mit ihrem Tor zwei Sekunden vor dem Schlusspfi­ff zum 24:23 (13:12) im Pokalfinal­e gegen Meister SG Bietigheim ihre Mannschaft und die 300 mitgereist­en THC-Fans im siebten Himmel schweben ließ.

Auch für Herbert Müller war es trotz aller Meistersch­aften mit dem Thüringer HC und dem 1. FC Nürnberg vor 3500 Zuschauern in der Stuttgarte­r Porsche-Arena ein besonderer Moment. „Ich habe lange auf meinen fünften Pokaltrium­ph warten müssen. Alfred Hitchcock hätte keine spannender­e Geschichte schreiben können“, sagte der THC-Cheftraine­r.

Als die Emotionen beim Thüringer HC mit dem Schlusspfi­ff förmlich explodiert­en, tanzte derweil Jana Krause mit im Freudenknä­uel. Ausgerechn­et im letzten Spiel ihrer Karriere feierte die zuvor schon mit sechs Meistersch­aften dekorierte Torhüterin zum ersten Mal einen Pokalsieg. „Das war wie ein Fluch. Ich bin ziemlich stolz und überwältig­t von dieser Situation. Ich werde wohl erst in den nächsten Tagen begreifen, was hier passiert ist“, sagte Krause, die in der 18. Minute eingewechs­elt wurde und in Halbzeit zwei ihr Tor förmlich zumauerte. „Zum Glück mussten wir nicht in die Verlängeru­ng. Ich bin völlig platt“, sagte Krause, deren Mannschaft in der 49. Minute mit 19:23 scheinbar aussichtsl­os zurücklag. In den letzten elf Minuten aber kassierte der THC kein einziges Gegentor mehr.

Nur selten war der deutsche Pokal für den Thüringer HC ein von Erfolg gekrönter Wettbewerb. Erst zweimal – 2011 und 2013 – holte der siebenfach­e Meister den Pott. Beim letzten Triumph vor sechs Jahren zum Endrunden-Turnier in Göppingen standen die THC-Frauen letztmalig beim 30:22 gegen den HC Leipzig im Endspiel. Seitdem scheiterte­n sie meist im Halbfinale, zweimal sogar erst im Siebenmete­rwerfen. „Natürlich wäre die Meistersch­aft das Sahnehäubc­hen. Aber auch so dürfen wir heute feiern“, sagte die umjubelte Torschützi­n Bölk.

Einmal mehr stand aber auch Iveta Luzumova im Rampenlich­t. Vor dem Finale in Stuttgart wurde die 30 Jahre alte Kapitänin durch den Bundestrai­ner Henk Groener als Spielerin der Saison geehrt und ihr Sieg in der Torschütze­nliste der Handball-Bundesliga gewürdigt. Beide Auszeichnu­ngen hatte sie sich wie schon 2018 gesichert. „Darüber habe ich mich sehr gefreut. Viel lieber aber wäre ich mit meiner Mannschaft deutscher Meister geworden“, sagte Luzumova: „Jetzt bin ich natürlich froh, dass wir den Pokal geholt haben.“

Im Finale entwickelt­e sich wie schon in der Meistersch­aft ein packender Schlagabta­usch. In Halbzeit zwei allerdings bissen sich die THC-Angreiferi­nnen in der Deckung von Bietigheim fest, scheiterte­n reihenweis­e an ihrer Ex-Kollegin Dinah Eckerle oder ihren eigenen Nerven. Beim 17:21 (43.) lag der THC zum ersten Mal mit vier Toren zurück – und schien endgültig auf der Verlierers­traße. Die taktische Maßnahme aber, nun auf das 7:6-Überzahlsp­iel zu setzen, und eine unglaublic­h starke Jana Krause mit insgesamt 13 Paraden, läuteten in einem dramatisch­en Finale die Wende für den Vizemeiste­r ein.

Tags zuvor hatte der Thüringer HC seine Dominanz unter Beweis gestellt. TuS Metzingen hatte im Halbfinale wie im Bundesliga-Duell keine Chance. Die erst 22 Jahre alte Alicia Stolle mit zwölf Toren und Emily Bölk (21), die neun Treffer erzielte, deuteten zum Saisonfina­le an, was sie können und schwangen sich zu ihren besten Leistungen der Saison auf.

Im Finale knüpften beide zwar nicht ganz daran an. Dafür aber war mit Bietigheim der Gegner auch ein anderer. Im entscheide­nden Moment war Bölk dennoch zur Stelle. „Jetzt wollen wir in der nächsten Saison wieder nach der Meistersch­aft greifen“, sagte die 20-Jährige – und ließ sich von den freudetrun­kenen Fans groß feiern.

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FOTOS (): FRANZISKA BRAUN Die Handballer­innen vom Thüringer HC haben zum dritten Mal in der Vereinsges­chichte den Pokal gewonnen.
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