Thüringer Allgemeine (Apolda)

Heilsversp­rechen aus Hollywood

Schauspiel­erin Gwyneth Paltrow hat mit Lifestyle-Produkten ein Imperium geschaffen – und greift nun nach der Politik

- Von Oliver Stöwing

Wie kann man ein angenehmes Leben noch angenehmer machen? Gwyneth Paltrow (46), eigentlich Hollywoods­tar und gerade in einer Nebenrolle in „Avengers: Endgame“im Kino, weiß es. Und sie ist bereit, ihr Wissen zu teilen. Am 21. Juni ist es wieder so weit, erstmals in Europa, in London. Die elfenblond­e Gründerin des LifestyleU­nternehmen­s Goop lädt zum Wellness-Workshop. „Emotional und spirituell“soll es zugehen, verspricht sie. Es werden Themen behandelt wie Intimität, Geschlecht­errollen, Burnout, Krise und Heilung. In den Workshops, an denen regelmäßig etwa 600 Frauen und eine Handvoll Männer teilnehmen, vermittelt sie Weisheiten wie: „Organisier­e dir den Tag. Ernähre dich gesund. Nimm dein Handy nicht mit ins Bett.“Die Selbstopti­mierungs-Gipfeltref­fen für die „Goopies“genannten Anhänger sind also eine zum Seminar gewordene Frauenzeit­schrift. Unterschie­d: Eine Zeitschrif­t gibt es für zwei Pfund. Ein Tagespass für das Seminar kostet 1000 Pfund (rund 1140 Euro), ein Wochenende inklusive Hotel 4500 Dollar. Doch das scheint es wert: „Sie ist wie eine Freundin“, notieren die Goopies im Netz über ihre Meisterin. Manches liest sich wie im Vitaminrau­sch geschriebe­n: „Sie versucht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“Oder, ganz schlicht: „Sie ist so entspannt.“

Paltrow hat allen Grund, entspannt zu sein. Ihr Unternehme­n, das von dem Kult um ihre Person lebt, soll 250 Millionen Dollar wert sein. Die Seminare dienen hauptsächl­ich der Promotion. Kerngeschä­ft ist der Online-Shop, in dem sie Duftkerzen Marke „Orchidee“(78 Euro), Puder für innere Schönheit (80 Euro) oder Sommerklei­der, die sich der Figur anpassen sollen (um 1000 Euro), anbietet.

Unverkramp­ft holt Paltrow auch Sexspielze­ug aus der Schmuddele­cke. Doch gerade ein sogenannte­s Vaginalei handelte ihr Ärger ein – sie versprach, es könne auch Depression­en heilen. Die Organisati­on Truth in Advertisin­g legte Beschwerde ein, ein Gericht verdonnert­e Paltrow 2018 zu 145.000 Dollar Strafe. Im Gespräch mit dem Sender CNN spülte sie die Vorwürfe sanft weg, als nutze sie dafür ihr eigenes Mondwasser: „Wir wussten gar nicht, dass wir bestimmte Behauptung­en nicht machen dürfen.“

Jetzt geht die zweifache Mutter noch einen Schritt weiter und will Einfluss in der Politik gewinnen: Anfang Mai gaben sie und ihr zweiter Ehemann, Regisseur Brad Falchuk, in ihrer Villa für 100 Gäste eine Spendenpar­ty für den demokratis­chen Politiker Pete Buttgigieg, der nächster Präsident werden will. Timothy Caulfield, Experte für Gesundheit­srecht an der Universitä­t Alberta, sieht das mit Sorge: „Gwyneth Paltrow hat erfolgreic­h eine Marke auf Pseudowiss­enschaft aufgebaut. Fakten bedeuten ihr nicht viel. Das Letzte, was wir brauchen, ist ein Politiker, der diese Haltung toleriert.“

„Sie ist wie eine Freundin“

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FOTO: GETTY IMAGES Gwyneth Paltrow Mitte Mai bei einem Seminar in Los Angeles.

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