Bekommt die CDU ein AKK-Problem?
Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sucht nach dem richtigen Umgang mit Internet-Stars – und stolpert in ein Kommunikationsdesaster
Für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist es ein Albtraum. Erst das historisch schlechte Ergebnis vom Sonntag. Nur 28,9 Prozent sind mehr als schmerzhaft für die Volkspartei. Doch es kam noch schlimmer: Am Dienstag erscheinen im Netz die Hashtags #AKKRuecktritt und #Annegate, letzteres in Anlehnung an die Watergate-Affäre, einen der größten politischen Skandale der USA. Die Hashtags sind die Folgen einer Kommunikation, die der 56-Jährigen entglitten ist. Dabei wollte sie bei der Pressekonferenz, bei der das Unheil seinen Anfang nahm, darlegen, welche Konsequenzen man aus der verunglückten Reaktion auf das Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo gezogen habe. Daraus wurde eine Welle der Empörung im Netz, die kaum mehr zu stoppen ist.
Der CDU-Chefin wird Zensur vorgehalten
Was war genau passiert: Die Strategen im Adenauer-Haus identifizierten Youtube-Star Rezo (1,6 Millionen Abonnenten) und seinen Clip „Zerstörung der CDU“sowie ein weiteres Video von Youtubern, das zum Wahlboykott von Union, SPD und AfD aufrief, als eine der Ursachen für das schlechte Abschneiden bei jungen Wähler.
Am Ende einer Pressekonferenz, während der die CDUChefin mehrfach auf eigene Fehler bei der Antwort auf jenes Video hinwies, erzählte sie, dass dieses von vielen CDU-Wahlkämpfern als „Schlag ins Gesicht“empfunden worden wäre. Dann begann sie einen Satz, der als Anekdote gedacht war: Sie habe sich überlegt, was los wäre, wenn eine Reihe von Zeitungsredaktionen vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. „Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen.“Sie fuhr fort: „Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein.“
Das Wort Regulierung fiel zu keinem Zeitpunkt. Die Sätze waren jedoch nicht eindeutig genug, auch die Absicht dahinter nicht ganz klar. In einer Meldung zur Pressekonferenz gab es dann die Überschrift: „KrampKarrenbauer erwägt Regulierung von Meinungsäußerungen.“Die Reaktionen im Netz überschlugen sich, von Zensur und Maulkorb war die Rede.
Aufgeschreckt verfasste das Team um AKK, wie sie im politischen Berlin genannt wird, zwei Tweets, die zusätzlich Öl ins Feuer gossen: „Es ist absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen. Meinungsfreiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten. #Rezo #Youtuber.“Dass sie nicht regulieren wolle, aber Regeln ins Spiel brachte, damit – wie es in einem weiteren Tweet hieß – die Zerstörung der Parteien nicht voranschreite, machte alles nur noch schlimmer. Mehrere Zehntausend Bürger unterzeichneten in der Zwischenzeit eine Petition. Die Youtuber Marmeladenoma und Herr Newstime äußerten darin ihre Befürchtung, dass „unbequeme Videos in der heißen Wahlkampfphase“künftig gefiltert werden sollten. Sie forderten Kramp-Karrenbauer auf: „Stoppen Sie die Zensur und den Angriff auf die Meinungsfreiheit!“
Zusammengefasst: Ein Desaster. Auch in der CDU schüttelte man den Kopf. Gesprächspartner wiesen auf häufige blumige, längliche Ausführungen der Vorsitzenden hin, die dann eben zu solchen Missverständnissen führten. „Die klare Sprache ist ihre Sache nicht“, sagte einer. „Merkel wäre das nicht passiert.“CDU-Vize Armin Laschet, ein mächtiger Konkurrent im Rennen um die nächste Kanzlerkandidatur der CDU, wies die Aussagen sogar öffentlich zurück. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, hieß es in einem Beitrag des nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten auf Twitter, den die Staatskanzlei in Düsseldorf veröffentlichte. Mit Blick auf das Grundgesetz schrieb Laschet weiter: „70 Jahre alt und doch wie für Youtube formuliert. Das Grundgesetz schützt unsere Meinungsfreiheit Armin Laschet, CDU-Vize
– in allen Medien.“
CDU-Vize Thomas Strobl sprang Kramp-Karrenbauer dagegen bei. Es brauche im Netz Regeln. „Wer glaubt, er sei im Internet im rechtsfreien Raum, obliegt einfach einem Irrtum.“Insofern habe die CDU-Vorsitzende in diesem Punkt seine Unterstützung. „Man kann ja andere politische Parteien bekämpfen oder mit ihnen in einen Wettbewerb treten, das ist natürlich in Ordnung. Ob man sie gleich zerstören muss, darüber darf man zumindest einmal sprechen“, sagte er mit Blick auf das Rezo-Video.
Zu allem Unglück erschien noch ein Bericht eines amerikanischen Mediendienstes, wonach Merkel Kramp-Karrenbauer für ungeeignet für ihre Nachfolge im Kanzleramt halte. Im Umfeld der Kanzlerin wurde der Bericht als nicht zutreffend bezeichnet. Deutlich wurde trotzdem: Es läuft gerade überhaupt nicht rund für die CDUChefin.
Der Koalitionspartner und die Opposition sparten dann auch nicht mit Spott. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen: „Du lieber Himmel, Politik steht doch nicht unter Naturschutz“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. „Die Meinungsfreiheit gilt auch im Netz. Mit der SPD ist so etwas sicher nicht zu machen.“SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil konnte „nur den Kopf schütteln“.
Von einer anderen Seite gab es gute Ratschläge: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der in Sachen Kommunikation selbst des Öfteren mal daneben lag, riet AKK, man müsse solche Dinge auch einmal ertragen.
Kommunikative Fehler und Ungenauigkeiten gab es seit Kramp-Karrenbauers Antritt im Dezember schon einige: Beim Stockacher Narrengericht wurde ihr eine Bemerkung als böswilliger Witz über das dritte Geschlecht ausgelegt. Ihre Antwort auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in einem Gastbeitrag der „Welt“enthielt Ungenauigkeiten mit Blick auf die Besteuerung von Brüssler Beamten. In einem Interview schwärmte sie davon, man sei beim Werkstattgespräch zur Migration „Herr über die Bilder“gewesen.
Das alles fällt auf fruchtbaren Boden in einer Partei, in der es vernehmbar zu Rumoren beginnt.
„70 Jahre alt und doch wie fürYoutube formuliert. Das Grundgesetz schützt unsere Meinungsfreiheit – in allen Medien.“