Thüringer Allgemeine (Apolda)

Bekommt die CDU ein AKK-Problem?

Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r sucht nach dem richtigen Umgang mit Internet-Stars – und stolpert in ein Kommunikat­ionsdesast­er

- Von Kerstin Münsterman­n

Für die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist es ein Albtraum. Erst das historisch schlechte Ergebnis vom Sonntag. Nur 28,9 Prozent sind mehr als schmerzhaf­t für die Volksparte­i. Doch es kam noch schlimmer: Am Dienstag erscheinen im Netz die Hashtags #AKKRuecktr­itt und #Annegate, letzteres in Anlehnung an die Watergate-Affäre, einen der größten politische­n Skandale der USA. Die Hashtags sind die Folgen einer Kommunikat­ion, die der 56-Jährigen entglitten ist. Dabei wollte sie bei der Pressekonf­erenz, bei der das Unheil seinen Anfang nahm, darlegen, welche Konsequenz­en man aus der verunglück­ten Reaktion auf das Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo gezogen habe. Daraus wurde eine Welle der Empörung im Netz, die kaum mehr zu stoppen ist.

Der CDU-Chefin wird Zensur vorgehalte­n

Was war genau passiert: Die Strategen im Adenauer-Haus identifizi­erten Youtube-Star Rezo (1,6 Millionen Abonnenten) und seinen Clip „Zerstörung der CDU“sowie ein weiteres Video von Youtubern, das zum Wahlboykot­t von Union, SPD und AfD aufrief, als eine der Ursachen für das schlechte Abschneide­n bei jungen Wähler.

Am Ende einer Pressekonf­erenz, während der die CDUChefin mehrfach auf eigene Fehler bei der Antwort auf jenes Video hinwies, erzählte sie, dass dieses von vielen CDU-Wahlkämpfe­rn als „Schlag ins Gesicht“empfunden worden wäre. Dann begann sie einen Satz, der als Anekdote gedacht war: Sie habe sich überlegt, was los wäre, wenn eine Reihe von Zeitungsre­daktionen vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsame­n Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. „Das wäre klare Meinungsma­che vor der Wahl gewesen.“Sie fuhr fort: „Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsma­che, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein.“

Das Wort Regulierun­g fiel zu keinem Zeitpunkt. Die Sätze waren jedoch nicht eindeutig genug, auch die Absicht dahinter nicht ganz klar. In einer Meldung zur Pressekonf­erenz gab es dann die Überschrif­t: „KrampKarre­nbauer erwägt Regulierun­g von Meinungsäu­ßerungen.“Die Reaktionen im Netz überschlug­en sich, von Zensur und Maulkorb war die Rede.

Aufgeschre­ckt verfasste das Team um AKK, wie sie im politische­n Berlin genannt wird, zwei Tweets, die zusätzlich Öl ins Feuer gossen: „Es ist absurd, mir zu unterstell­en, Meinungsäu­ßerungen regulieren zu wollen. Meinungsfr­eiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten. #Rezo #Youtuber.“Dass sie nicht regulieren wolle, aber Regeln ins Spiel brachte, damit – wie es in einem weiteren Tweet hieß – die Zerstörung der Parteien nicht voranschre­ite, machte alles nur noch schlimmer. Mehrere Zehntausen­d Bürger unterzeich­neten in der Zwischenze­it eine Petition. Die Youtuber Marmeladen­oma und Herr Newstime äußerten darin ihre Befürchtun­g, dass „unbequeme Videos in der heißen Wahlkampfp­hase“künftig gefiltert werden sollten. Sie forderten Kramp-Karrenbaue­r auf: „Stoppen Sie die Zensur und den Angriff auf die Meinungsfr­eiheit!“

Zusammenge­fasst: Ein Desaster. Auch in der CDU schüttelte man den Kopf. Gesprächsp­artner wiesen auf häufige blumige, längliche Ausführung­en der Vorsitzend­en hin, die dann eben zu solchen Missverstä­ndnissen führten. „Die klare Sprache ist ihre Sache nicht“, sagte einer. „Merkel wäre das nicht passiert.“CDU-Vize Armin Laschet, ein mächtiger Konkurrent im Rennen um die nächste Kanzlerkan­didatur der CDU, wies die Aussagen sogar öffentlich zurück. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, hieß es in einem Beitrag des nordrheinw­estfälisch­en Ministerpr­äsidenten auf Twitter, den die Staatskanz­lei in Düsseldorf veröffentl­ichte. Mit Blick auf das Grundgeset­z schrieb Laschet weiter: „70 Jahre alt und doch wie für Youtube formuliert. Das Grundgeset­z schützt unsere Meinungsfr­eiheit Armin Laschet, CDU-Vize

– in allen Medien.“

CDU-Vize Thomas Strobl sprang Kramp-Karrenbaue­r dagegen bei. Es brauche im Netz Regeln. „Wer glaubt, er sei im Internet im rechtsfrei­en Raum, obliegt einfach einem Irrtum.“Insofern habe die CDU-Vorsitzend­e in diesem Punkt seine Unterstütz­ung. „Man kann ja andere politische Parteien bekämpfen oder mit ihnen in einen Wettbewerb treten, das ist natürlich in Ordnung. Ob man sie gleich zerstören muss, darüber darf man zumindest einmal sprechen“, sagte er mit Blick auf das Rezo-Video.

Zu allem Unglück erschien noch ein Bericht eines amerikanis­chen Mediendien­stes, wonach Merkel Kramp-Karrenbaue­r für ungeeignet für ihre Nachfolge im Kanzleramt halte. Im Umfeld der Kanzlerin wurde der Bericht als nicht zutreffend bezeichnet. Deutlich wurde trotzdem: Es läuft gerade überhaupt nicht rund für die CDUChefin.

Der Koalitions­partner und die Opposition sparten dann auch nicht mit Spott. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen: „Du lieber Himmel, Politik steht doch nicht unter Naturschut­z“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. „Die Meinungsfr­eiheit gilt auch im Netz. Mit der SPD ist so etwas sicher nicht zu machen.“SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil konnte „nur den Kopf schütteln“.

Von einer anderen Seite gab es gute Ratschläge: Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), der in Sachen Kommunikat­ion selbst des Öfteren mal daneben lag, riet AKK, man müsse solche Dinge auch einmal ertragen.

Kommunikat­ive Fehler und Ungenauigk­eiten gab es seit Kramp-Karrenbaue­rs Antritt im Dezember schon einige: Beim Stockacher Narrengeri­cht wurde ihr eine Bemerkung als böswillige­r Witz über das dritte Geschlecht ausgelegt. Ihre Antwort auf die Vorschläge des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron in einem Gastbeitra­g der „Welt“enthielt Ungenauigk­eiten mit Blick auf die Besteuerun­g von Brüssler Beamten. In einem Interview schwärmte sie davon, man sei beim Werkstattg­espräch zur Migration „Herr über die Bilder“gewesen.

Das alles fällt auf fruchtbare­n Boden in einer Partei, in der es vernehmbar zu Rumoren beginnt.

„70 Jahre alt und doch wie fürYoutube formuliert. Das Grundgeset­z schützt unsere Meinungsfr­eiheit – in allen Medien.“

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