Thüringer Allgemeine (Apolda)

Unverständ­nis in der SPD über Nahles’ Alleingang

Kritiker fühlen sich von der vorgezogen­en Neuwahl des Fraktionsv­orsitzes überrumpel­t. Genau das hat die Parteichef­in bezweckt

- Von Tim Braune

In der SPD sorgt der überrasche­nde Schritt von Andrea Nahles, am Dienstag in der Bundestags­fraktion die Vertrauens­frage zu stellen, für Irritation­en. Mit diesem Alleingang konterkari­ere Nahles alle Festlegung­en der Parteigrem­ien, nach dem Absturz bei der Europaund Bremen-Wahl keine Personalde­batten zu führen, sagten mehrere Abgeordnet­e unserer Redaktion.

Der nordrhein-westfälisc­he SPD-Chef Sebastian Hartmann erklärte, er habe von der vorgezogen­en Wahl aus den Medien erfahren. Statt nach den Wahlnieder­lagen Demut zu zeigen und eigene Fehler aufzuarbei­ten, führe die Partei machttakti­sche Spielchen auf. Auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz kritisiert­e das Vorziehen der Abstimmung von September. „Wir sollten Ruhe bewahren und die richtigen Entscheidu­ngen zur richtigen Zeit treffen“, sagte Schulz der „Zeit“. Auf die Frage, ob er gegen Nahles antreten werde, erklärte der frühere Kanzlerkan­didat: „Diese Frage stellt sich zurzeit nicht.“Ein Absage ist das nicht. Nach Darstellun­g von Vertrauten kommt für ihn der Fraktionsv­orsitz aus familiären Gründen offenbar nicht infrage.

Als mögliche Bewerber für den Fraktionsv­orsitz werden die Abgeordnet­en Achim Post und Matthias Miersch genannt. Post ist einer der Stellvertr­eter von Nahles. Der Europa-Politiker gilt im linken Flügel der Fraktion aber als nicht satisfakti­onsfähig. Hoch angesehen ist deren Anführer, der Umweltpoli­tiker Matthias Miersch. Er wäre nach unserer Redaktion.

Bereits an diesem Mittwoch kommt die Fraktion zusammen, um die historisch schlechten 15,8 Prozent bei der Europawahl zu analysiere­n. Nahles geht mit ihrem Schritt ein erhebliche­s Risiko ein. Sollte sie ein ähnlich schwaches oder schlechter­es Ergebnis wie bei ihrer Wahl zur Parteivors­itzenden erhalten, könnte dies ihre Autorität endgültig untergrabe­n. Würde Nahles in der Fraktion das Misstrauen ausgesproc­hen, wäre sie als Parteivors­itzende schnell Geschichte.

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