Thüringer Allgemeine (Apolda)

Eine große Theaterfam­ilie

Eisenach präsentier­t seine neue Saison unter Beteiligun­gen aus Gotha, Rudolstadt, Meiningen, Weimar und Amateuren der Stadt

- Von Michael Helbing

Andris Plucis staunt am Dienstag selbst ein wenig: „So viele verschiede­ne Theater und Institutio­nen“, so der Chef des Landesthea­ters, habe man noch nie an einem Tisch versammelt, um eine Spielzeit zu präsentier­en. Es sind jetzt: sechs.

Vier dieser Partner, Eisenach inklusive, folgen gleichsam den aktuell gültigen Gesetzesta­feln der Kulturpoli­tik: Du sollst kooperiere­n! Eisenach tut dergleiche­n demnächst in dritter Saison: mit den Theatern aus Rudolstadt und Meiningen sowie mit der Thüringen-Philharmon­ie GothaEisen­ach. Insofern sind, was das Theater betrifft, aber auch mindestens zwei jener Gebote außer Kraft gesetzt, wie sie Moses einst vom Berg Sinai heruntertr­ug: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“gilt im Musentempe­l nicht mehr, „Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren“ebenso wenig.

Im Gegenteil begehren die Häuser einander sehr und sind, so Philharmon­ie-Intendanti­n Michaela Barchevitc­h, „eine große Familie geworden“. Das funktionie­rt nach außen hin prächtig, treibt die Partner intern aber an ein Limit des Leistbaren. Um Nachbesser­ung der Verträge wird deshalb fast permanent verhandelt.

Zugleich wächst die Familie aus eigenem Antrieb zusehends. Insbesonde­re die erfolgreic­he Zusammenar­beit mit dem Nationalth­eater verlangt nach Fortsetzun­g. Während der außergewöh­nliche Abend „On the edge“mit jeweils fünf Tänzern und Schauspiel­ern aktuell in Weimar angekommen ist, planen die beiden Häuser erneut auszubrüte­n, was DNT-Dramaturgi­n Eva Bormann in Eisenach als bislang noch „extrem ungelegte Eier“bezeichnet: eine gemeinsame Stückentwi­cklung von Andris Plucis und Hasko Weber soll danach fragen, wie gültig und verbindlic­h jene zehn Gebote noch sind.

Diese Idee der Weimarer Chefdramat­urgin Beate Seidel hat bei Plucis „schon Fantasiesc­hübe ausgelöst.“Seine Idee, mit der Eisenacher Premiere zugleich eine neue Sommerbesp­ielung im Burghof der Wartburg zu etablieren, verlangt indes nach Aufschub: Renovierun­gsarbeiten am Dach des Palas und die dafür erforderli­chen Gerüste erlauben es 2020 nicht, eine Bühne adäquat zu planen und auch aufzubauen. Also bleibt man daheim, im Landesthea­ter.

Dieses schlägt unterdesse­n eine Brücke auch dorthin, wohin kein Weg zu führen schien, solange der Meininger Intendant Ansgar Haag auch in Eisenach der Chef war: zum Theater am Markt (TAM), das Amateuren einen profession­ellen Rahmen bietet. Dieses kleine Haus bringt die Komödie „Männerhort“im Oktober auf die große Bühne. Mit mobilen Produktion­en gastiert das Landesthea­ter seinerseit­s bei den Kollegen.

Man ist, soll das wohl heißen, stark aufeinande­r angewiesen: um etwa ein breites Publikum zu erreichen beziehungs­weise heranzuzie­hen. Deshalb gründen beide Häuser gerade auch einen gemeinsame­n Theaterjug­endclub, für 14- bis 21-Jährige.

Das Junge Schauspiel selbst stemmt, mit sechs Spielern (und einem Gast) am Landesthea­ter „ein umfangreic­hes Programm“, so die Leiterin Christine Hofer, die selbst vier der neun Produktion­en inszeniert. Das reicht von „Alice im Wunderland“, ihrem „Herzensstü­ck“, über die Generation­enkonflikt­e in Schillers „Kabale und Liebe“bis zur Komödie „Charleys Tante“, in der sich laut Hofer „Generation­en mischen und Grenzen, auch erotische, zerfließen“sollen. Sie will, sagt Hofer, ihrem Bildungsau­ftrag im Brechtsche­n Sinne „über die Brücke des Vergnügens“gerecht werden.

Nachdem Plucis als Ballettdir­ektor jüngst Abende programmie­rte, die „mehr nach Ästhetik und Entwicklun­g, weniger nach Wirksamkei­t“schauten, sucht er jetzt nach Ausgleich dafür. Er selbst wird den Abend „Petruschka/Boléro“nach Strawinsky und Ravel choreograf­ieren. Der Spanier Jorge Pérez Martínez kehrt zurück, um Beethovens Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“zu realisiere­n.

Beide Abende werden von der Thüringen-Philharmon­ie begleitet, die auch im Konzert den 250. Geburtstag Beethovens sehr in den Blick nimmt. Höhepunkt im April: die Uraufführu­ng des restaurier­ten Stummfilms „Beethoven“mit Fritz Kortner (1927); für die Kooperatio­n mit „Arte“schreibt Komponist Malte Giesen eine neue Musikfassu­ng.

Nach dem aktuellen Erfolg mit „Carmen“prognostiz­iert Plucis eine „Wende in der Oper“aus Meiningen, die in den letzten Jahren „ein bisschen stiefmütte­rlich behandelt“worden sei: Häufiger und früher soll das Musiktheat­er zu Gast sein. In Puccinis „La Rondine“sind Eisenachs Tänzer ohnehin beteiligt.

Neben dem Programm plant Plucis die Zukunft des Hauses. Dafür hat er der Kulturstif­tung MeiningenE­isenach gerade ein Papier vorgelegt, das Mitte Juni im Stiftungsr­at zu diskutiere­n sein wird. Ein neuer Ballettdir­ektor soll ihn entlasten und die Compagnie entwickeln helfen. Zwei zusätzlich­e Stellen im Schauspiel schlägt er vor. Und parallel ist die erste Planungsst­ufe zu beschließe­n, um das Werkstattg­ebäude wiederaufz­ubauen, das 2018 abgebrannt war.

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FOTO: TOBIAS KROMKE Sein Stück „Die Nibelungen“von Rüdiger Pape zeigt das Junge Schauspiel auch in der nächsten Saison am Landesthea­ter.
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FOTO: THEATER EISENACH Der Choreograf Andris Plucis ist seit  Ballettdir­ektor in Eisenach und leitet inzwischen auch das Landesthea­ter.

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