Eiserne Glückseligkeit
Die Fußball-Bundesliga bekommt einen etwas anderen Neuling. Der Kult-Club steht vor großen Herausforderungen
Die erste Aufstiegssause bis zum frühen Morgen machte dem außergewöhnlichen Neuling 1. FC Union so richtig Lust auf den mehrtägigen Feier-Marathon und das Premierenjahr in der Bundesliga. Club-Chef Dirk Zingler war nach seiner skurrilen Flucht auf die Toilette für den Schlusspfiff völlig überwältigt, Rafal Gikiewicz freute sich auf „48 Stunden Party“, Sebastian Polter wollte sogar „vielleicht 500“Stunden das Hochgefühl genießen.
Aber auch die Vorbereitungen auf das erste Jahr im FußballOberhaus begannen für den Kult-Club aus Berlin-Köpenick nach einer kurzen Nacht. Am Dienstagvormittag schloss Urs Fischer schon wieder die Eingangstür zum Stadion, in dem noch immer der Geruch von Bier in der Luft lag, auf. „Es ist einfach geil“, sagte der Schweizer Trainer über die geglückte Relegation gegen den VfB Stuttgart. „Es tut mir leid für die Wortwahl, aber ich kann es anders nicht beschreiben. Das sind Gefühle, die kannst du nicht in Worte fassen.“
Um „halb fünf, fünf“sei er wieder zu Hause gewesen, berichtete der sonst so zurückhaltend auftretende Eidgenosse am Dienstag. „Ich war sicher nicht der Letzte, da waren noch sehr, sehr viele Leute.“
Nach dem friedlichen Platzsturm mit Schlusspfiff des 0:0 soll am Mittwoch noch einmal groß mit den Fans gefeiert werden – Schiffsfahrt auf der Spree und Empfang auf dem Köpenicker Rathausbalkon inklusive.
Das Denkmal des Hauptmanns von Köpenick vor dem Rathaus trug schon in der Aufstiegsnacht einen rot-weißen Schal. „Wenn man sich das anschaut, kriegt man Gänsehaut. Ich könnte gleich zu heulen beginnen“, schwärmte der österreichische Offensivspieler Robert Zulj über die Verbindung der Anhänger zu ihrem Club. „Die Bundesliga kann sich freuen auf die Mannschaft, auf die Fans, auf das Stadion.“ Das deutsche Fußball-Oberhaus bekommt anstelle von traditionsreichen West-Großclubs wie Stuttgart oder Hamburger SV einen Vertreter mit dem wohl gepflegten Image des etwas anderen Vereins aus dem Osten. Vereinshymne von Punkröhre Nina Hagen; Anhänger, die eine neue Tribüne selbst bauen und Blut für ihren Verein spenden; das alljährliche Weihnachtssingen; eine manuell bediente Anzeigetafel – Vieles macht Union einzigartig. „Ich gehe seit 40 Jahren zu diesem Verein und ich habe auf dieses eine Spiel gewartet“, sagte Präsident Zingler.
Doch auch wenn die Berliner in der 2. Liga finanziell schon zur Spitzengruppe gehörten und die beste Abwehr stellten, wird das erste Bundesligajahr auf vielen Ebenen zur Herausforderung. „Wir werden uns konkurrenzfähig geben“, versprach Oliver Ruhnert kurz bevor die Profis in den Katakomben Biernachschub vom Geschäftsführer Profifußball verlangten.
Dabei will Union das Schicksal, das schon zuletzt Neulinge wie den SC Paderborn oder die SpVgg Fürth ereilte, unbedingt verhindern. „Der Verein wird sehr, sehr genau aufpassen, dass das nicht das mit uns macht, was manchem Verein passiert ist: aufzusteigen und anschließend durchgereicht zu werden. Da bin ich mir recht sicher“, sagte der frühere Schalker Ruhnert.
„Vielleicht machen wir ein Jahr Urlaub in der ersten Bundesliga – das kann sein. Aber meine persönliche Ambitionen sind immer die, dass wir Dinge zu Ende bringen.“
So spät wie kein anderer Bundesligaverein kann Union Berlin nun seine Personalplanungen für kommende Saison finalisieren. Erste Neuverpflichtungen sollen bereits in den nächsten Tagen verkündet werden, der überragende polnische Keeper Gikiewicz hofft auf eine Vertragsverlängerung zu verbesserten Bezügen.
Auch wenn Union in der Zweitligasaison viele Chancen ungenutzt ließ, ziehen die Eisernen nun als 56. Verein und fünfter Club aus Berlin in die deutsche Elite-Liga ein. (dpa)
Vieles macht den Verein einzigartig