Ramelow zieht die Linke nach oben
Warum die Blamage des letzten Wahlsonntags zumindest bei der größten Thüringer Regierungspartei wenig Aussagekraft hat
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Da sind die Abstimmungen in den Kommunen und über das Europaparlament gerade erst vorbei. Doch in nicht einmal fünf Monaten, am 27. Oktober, steht schon die nächste Wahl an, die des Thüringer Landtages.
Wie schon im April hat das Erfurter Meinungsforschungsinstitut Insa auch im Mai etwas mehr als 1000 Thüringerinnen und Thüringer telefonisch und online befragt. Die wichtigste Frage lautete wieder: „Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl in Thüringen wäre, wie würden sie wählen?“
26 Prozent der Befragten, die in der vergangenen Woche eine Angabe machten, nannten die CDU, ein Prozentpunkt weniger als im Vormonat. Auf Platz 2 liegt die Linke mit unverändert 25 Prozent, während sich die AfD mit 20 Prozent aus Platz 3 stabilisiert. Gegenüber den April-Zahlen können sich auch die Sozialdemokraten leicht auf 11 Prozent und die Grünen auf acht Prozent verbessern. Die FDP sinkt auf fünf Prozent ab.
Die Umfrageergebnisse von CDU, SPD Grünen und FDP für die Landtagswahl kommen den realen Resultaten der Europawahl vom vergangenen Sonntag ziemlich nahe, derweil die AfD etwas darunter liegt. Völlig anders ist die Situation aber bei der Linken: Sie liegt deutlich über ihrem erst am Sonntag eingefahrenen Thüringer EU-Ergebnis von 13,8 Prozent, das wiederum mehr als acht Prozentpunkte unter dem Resultat von 2014 lag.
Wichtigster Grund für die Differenz ist ganz offenkundig der Amtsbonus des linken Ministerpräsidenten. Bei der – rein theoretischen – Frage, welchen Kandidaten sie zum Ministerpräsidenten direkt wählen würden, nannten 39 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer den Namen von Bodo Ramelow. Das waren drei Prozentpunkte weniger als vor wenigen Wochen. Nur 13 Prozent (minus 2) wünschen sich allerdings den CDUOppositionsführer Mike Mohring als Regierungschef – und sieben Prozent (minus 1) AfDLandeschef Björn Höcke.
Ein großer Teil der Thüringer ist allerdings von keinem der drei Bewerber um den Regierungsvorsitz überzeugt. 27 Prozent würden am liebsten keinen der drei Spitzenkandidaten als Ministerpräsident, 15 Prozent wollten sich nicht entscheiden oder machten keine Angabe.
Die Popularität des Regierungschefs, auf welche die Linke im Wahlkampf ohnehin setzt, erklärt die Stärke der Partei jenseits der herben Verluste bei der Wahlen für Europa und in den Kommunen. Trotz des Ramelow-Effekts hat aber Rot-RotGrün mit 44 Prozent weiterhin keine rechnerische Mehrheit – genauso wenig eine Kenia-Koalition von CDU mit SPD und Grünen (45 Prozent). Nur unter Hinzunahme der FDP könnte die Union eine Mehrheitsregierung bilden. Die Alternative – eine gemeinsame Regierung von CDU und Linke – lehnen beide Parteien ab, womit sie übrigens auch der Wählererwartung entsprechen.
Gerade einmal zwei bis fünf Prozent der Befragten können sich ein derartiges Bündnis vorstellen. Sowieso wirken die Wähler ratlos auf die Frage, was im Herbst passieren wird. Immerhin ein Viertel erwartet, dass die aktuelle rot-rot-grüne Koalition fortgesetzt wird. An die Vierer-Kombo von CDU, SPD, Grünen und FDP glauben noch 15 Prozent. Die Varianten mit Beteiligung der AfD bewegen sich im einstelligen Prozentbereich. Gut 40 Prozent sagen lieber gar nichts oder wünschen sich eine anders geartete Koalition, wie auch immer die aussehen soll.
Potenzial der SPD ist am größten
Es befindet also noch einiges in Bewegung – was vor allem die sogenannte Potenzialanalyse zeigt. So fragte das Insa-Institut neben der Sonntagsfrage die Thüringer, welche Parteien sie sich „grundsätzlich auch vorstellen“könnten, bei einer Landtagswahl zu wählen.
Hier zeigt sich, dass bei einigenParteiennochvielLuftnach oben ist. So könnte die CDU im für sie besten Szenario bis zu 36 Prozent erhalten – und die Linke sogar 39 Prozent.
Besonders hoch sind die gefühlten Möglichkeiten der SPD: Sie könnte auf 30 Prozent kommen, also 19 Prozentpunkte mehr als bisher. Auch die Grünen schöpfen ihre Möglichkeiten von immerhin 24 Prozent nur ansatzweise aus, genauso wie die FDP, die bis zu 14 Prozent der Befragten im Zweifel wählen würden.
Interessant: Die AfD hat alle ihre möglichen Wähler nahezu beisammen. Ihr Potenzial liegt in etwa bei dem Europawahlergebnis von 22,5 Prozent. Noch höher dürfte es, jedenfalls laut dieser Umfrage, kaum gehen.