Zwölf Jahre bis zu „Gundermann“
Die aus Ostthüringen stammende Drehbuchautorin Laila Stieler hat die wichtigen deutschen Filmpreise gewonnen
Neustadt an der Orla.
Andreas Dresens vielgelobtes Filmporträt „Gundermann“wurde beim Deutschen Filmpreis mit sechs Lolas geehrt. Drehbuchautorin Laila Stieler erhielt die Auszeichnung für das beste Skript. Geboren wurde die 53-jährige Autorin und Produzentin in Neustadt/Orla. Auch ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie in Ostthüringen. Wir sprachen mit ihr am Telefon.
Frau Stieler, es hat zwölf Jahre gebraucht, bis „Gundermann“in die Kinos kam. Was bedeutet Ihnen nun die Lola?
So richtig erfasst habe ich das noch gar nicht. Aber natürlich freue ich mich als Drehbuchautorin, deren Arbeit ja eher selten gesehen wird, über diese Wertschätzung. Wenn man so lange an einem Drehbuch schreibt, und dann wird es tatsächlich umgesetzt, ist das schon ein Erfolg. Wenn der Film auch noch gut wird, mir, den Zuschauern und der Branche gefällt, dann ist das wie ein Ritterschlag. Der Preissegen ist aber auch für das Gesamtprojekt „Gundermann“großartig.
Ist es Ihre beste Arbeit?
Es gibt eine Hand voll ganz verschiedener Filme, die ich wirklich gern hab. Es ist aber sicherlich die längste, intensivste und herausforderndste Arbeit gewesen.
Sie haben auch schon den GrimmePreis, den Bayerischen Filmpreis und andere Auszeichnungen erhalten. Haben Sie dafür eine besondere Ecke in Ihrer Wohnung?
Nein, so etwas wie einen Schrein habe ich nicht. Es sind ja auch Staubfänger. Der Grimme-Preis war beispielsweise so fragil, dass er gleich kaputt gegangen ist – blöderweise.
Sie sind zeitweise im Osten Thüringens aufgewachsen.
Die ersten Jahre meines Lebens habe ich bei meinen Großeltern in Neunhofen gelebt, einen Kilometer von Neustadt entfernt.
Warum bei den Großeltern? Waren Ihre Eltern, beides ja bekannte Filmemacher, in filmischen Missionen unterwegs?
Meine Mutter hat damals noch studiert, und mein Stiefvater, Winfried Junge, kam erst später dazu. Für meine Mutter war ein Studium allein mit Kind schwierig. Deshalb sind meine Großeltern eingesprungen.
Und als die Mutter fertig war, sind Sie zu ihr nach Berlin gezogen?
Soviel ich weiß, ist sie erst zu ihrem neuen Mann gezogen und ich hinterher, als das Nest sozusagen bereitet war.
Welche Erinnerungen haben Sie an Thüringen?
Ich habe meine Großeltern sehr geliebt und war später auch immer in den Ferien da. Hin und wieder bin ich dort sogar zur Schule gegangen, wenn meine Eltern auf Festivals waren. Ich habe dort einen Cousin, mit ihm bin ich aufgewachsen wie mit einem Bruder.
Neunhofen und Berlin waren sicher zwei Welten?
Ich kann mich erinnern, wir hatten in Berlin Milch aus Tetrapacks, diese dreieckigen Milchtüten, zum Frühstück. In Neunhofen gab es Milch aus Flaschen. Das war wirklich etwas Besonderes und Fremdes für mich. Und die Schule dort hatte schräge Pulte mit kleinen Vertiefungen für die Tintenfässer oder -wannen. Es gab Kinder, die noch ihre Federkiele dort eintunkten.
Sind Sie manchmal noch in Thüringen?
Leider zu selten.
Sie haben früher mal für den VEB Elektrokohle Lichtenberg gearbeitet? Was war das für ein Werk?
Ein Hersteller für Technische Kohle, zum Beispiel für Stromabnehmer. Ich habe da in der Schleiferei und für die Betriebszeitung gearbeitet.
Wie kamen Sie zu diesem Job ?
Ich wollte Journalistik studieren, hatte mich beim Fernsehen der DDR beworben und dort eine Eignungsprüfung gemacht, und die sagten: „Sehr gern, aber nach dem Abi würden wir uns freuen, wenn Sie erst mal ein praktisches Jahr in der Produktion machen und einen Beruf erlernen.“Da habe ich mich in die Straßenbahn gesetzt, bin drei Stationen ins nächstgelegene Industriegebiet gefahren. Und dort habe ich auf gut Glück bei Elektrokohle Lichtenberg angefragt.
Sind Sie danach Journalistin geworden?
Nein, die Zeit bei der Betriebszeitung war sehr heilsam. Unter anderem weil ich erkannte, dass mich die Fiktion mehr interessiert als die Darstellung von Fakten.
Wie sind Sie letztendlich zum Film gekommen?
Ich hatte mich parallel zur Journalistik auch für ein Dramaturgie-Studium an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg beworben und konnte so umschwenken.
Sie arbeiten relativ häufig mit dem Filmregisseur Andreas Dresen zusammen: „Stilles Land“, „Die Polizistin“, „Willenbrock“sind zum Beispiel gemeinsame Projekte. Wo und wie haben Sie sich kennen gelernt?
Wir waren in einem Studienjahr, hatten uns aber schon vorher über seinen langjährigen Kameramann Andreas Höfer kennengelernt, mit dem ich zusammen ein Volontariat beim Fernsehen machte. Im ersten Studienjahr fragte Dresen mich, ob ich mit ihm zusammenarbeiten wolle, und das wollte ich sehr gern – und daraus ist eine lange Arbeitsbeziehung und Freundschaft geworden.
Frau Stieler, was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Andreas Dresen?
Das ist immer eine Herausforderung. Es geht bei ihm stets um etwas Visionäres. Mit jedem Film erfindet er wieder etwas Neues, lernt was Neues kennen. Das trifft auf meine Neugier. Wir teilen die Liebe zu Figuren und zum Alltag von ganz normalen Menschen wie auch einen bestimmten Humor. Wir lachen wirklich viel.
Welche neuen Projekte haben Sie im Fokus?
Ich arbeite an einer Serie und auch an einem Kino-Projekt mit Andreas Dresen. Mehr verrate ich nicht.