Provinz im Oberhaus
Die Relegation, dieser streitbare Türsteher an den oberen Fußballetagen, kann ein rüder Geselle sein. Weil er oft genug den Emporstrebenden den Aufstieg verwehrt. Und den Alteingesessenen die Saison rettet. In diesem Frühjahr ist das anders. Mit Union und nun auch mit Wehen Wiesbaden haben es die Underdogs hinaufgeschafft. Nach jeweils zwei Spielen, die selbst jeden Unbeteiligten mitfiebern, mitleiden und mitjubeln ließen.
Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Selten war der Herbergersche Satz von der Ungewissheit des Fußballs so wahr. Selten einmal hat sich eine ganze Saison so sehr auf die finalen Minuten komprimiert wie in diesen Spielen. Ein einziges Tor – und komplette Zukunftspläne hätten sich vom einen zum anderen Moment auf den Kopf gestellt.
So sieht er aus, der emotionale Gegenentwurf zum geplanten sterilen Zirkel der Großen in einem europäischen Wolkenkuckucksheim der Champions, wo die Zahlen in den Büchern wichtiger sind als die in der Tabelle.
Dass mit Union erstmals seit Fortuna Düsseldorf 2012 der Zweitligist den Aufstieg schafft, ist ein Ding an sich. Dass mit Stuttgart, Hamburg, Hannover und Nürnberg ein traditionsbeladenes Quartett (zusammen 22 deutsche Meistertitel!) sich demnächst im Unterhaus trifft, auch.
Oben tummelt sich dafür die Provinz: Augsburg, Mainz, Freiburg und nun auch noch Paderborn und Köpenick. Neue Einnahmerekorde werden sie mit ihren kleinen Stadien der Liga nicht liefern können. Dass solche Wunder entgegen aller wirtschaftlichen Logik aber möglich sind, sollte das reiche Oberhaus nicht als lästigen Störfall abtun. Vielmehr sollte es Auf- und Abstieg als bewahrenswerte, weil elementare Bestandteile der Idee vom Fußball verstehen.