Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Containern“soll legalisier­t werden

Initiative gegen Nahrungsmi­ttelversch­wendung: Politiker wollen das Einsammeln weggeworfe­ner Lebensmitt­el erlauben

- Von Tobias Kisling, Daniel Herder und Axel Ritscher

Lebensmitt­elverschwe­ndung ist ein Problem. Einer aktuellen Studie der Universitä­t Stuttgart zufolge landen pro Jahr in Deutschlan­d 12,7 Millionen Tonnen Lebensmitt­el im Müll, pro Kopf werfen die Deutschen rund 85 Kilogramm an Nahrung weg, von denen 37 Kilogramm noch verwertbar wären. Um dieser Verschwend­ung Einhalt zu gebieten unternimmt nun der Hamburger Justizsena­tor Till Steffen einen Vorstoß. Der Grünen-Politiker hat für die Konferenz der Justizmini­ster der Länder in Lübeck einen Antrag vorbereite­t, wonach das sogenannte Containern, also das Einsammeln weggeworfe­ner Lebensmitt­el, künftig gestattet sein soll. Für noch sinnvoller hält Steffen aber ein gesetzlich­es Wegwerfver­bot für Supermärkt­e. Dies wäre „am nachhaltig­sten und effektivst­en“, sagte Steffen unserer Redaktion. Eine derartige Regelung gibt es in Frankreich: Größere Supermärkt­e müssen dort noch genießbare Lebensmitt­el an gemeinnütz­ige Organisati­onen verschenke­n.

„Dass jährlich mehrere Millionen Tonnen Lebensmitt­el ohne rechtliche Folge weggeworfe­n werden und gleichzeit­ig Menschen strafrecht­lich verfolgt werden, die Lebensmitt­el retten wollen, passt nicht zusammen“, findet Steffen. Um das Containern zu entkrimina­lisieren, will der Senator den Bund auffordern, das Strafrecht zum Diebstahl zu ändern. Denkbar sei auch eine Modifikati­on von Paragraf 959 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es zur Eigentumsa­ufgabe. Demnach gelten Lebensmitt­el auch dann als Eigentum, wenn sie weggeworfe­n werden, zumal der Eigentümer damit eine Absicht verbindet – nämlich ihre Entsorgung.

Ob der Vorstoß auf Bundeseben­e Erfolg haben wird, darf bezweifelt werden. „Es wäre zu kurz gegriffen, hier den Eigentumss­chutz einzuschrä­nken und damit gleichzeit­ig Vermüllung, Eindringen in abgesperrt­e Bereiche und nicht zuletzt Gesundheit­sgefahren hinzunehme­n“, sagte die Verbrauche­rschutz-Sprecherin der CDU/ CSU, Elisabeth Winkelmeie­rBecker. Auch Johannes Fechner, rechtspoli­tischer Sprecher der SPD, hält von einer Legalisier­ung wenig. Er möchte stattdesse­n ein Wegwerfver­bot nach französisc­hem Vorbild. Allerdings blockiere laut Fechner Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) ein solches Verbot, ohne „irgendwelc­he eigenen Vorschläge gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung zu machen“.

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / ALESSANDRA SCHELLNEGG­ER , Millionen Tonnen Lebensmitt­el landen pro Jahr im Müll.

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