Thüringer Allgemeine (Apolda)

Klopp oder Flop

Nach sechs verlorenen Endspielen hofft Liverpools Trainer im Champions Legaue-Finale gegen Tottenham auf die Krönung

- Von Thomas Lelgemann

Jürgen Klopp will nicht der ewige Zweite sein. Nach sechs verlorenen Endspielen in Serie mit dem BVB und dem FC Liverpool – darunter die beiden Champions-League-Finals 2013 mit Dortmund und 2018 mit dem englischen Klub – geht der 51 Jahre alte Trainer diesen Samstag im Endspiel der Königsklas­se im Madrider Estadio Metropolit­ano gegen Tottenham Hotspur als leichter Favorit ins Rennen.

Klopp kam am Freitag in Madrid im grauen Vereins-Trainingsa­nzug in die Pressekonf­erenz. Zunächst wirkte er etwas angespannt. Vor allem, als er erklären sollte, ob er seine Karriere mit den verlorenen Finals als eine unglücklic­he ansehen würde. „Wenn ich mich selbst als Loser fühlen würde, hätte ich ein Problem“, sagte Klopp.

Dann wurde er immer entspannte­r und plauderte locker: „Ich spüre die Unterstütz­ung meiner Familie und von Freunden. Mit Joel Matip und mir sind zwei Deutsche dabei. Schalke und Dortmund zusammen. Das ist schon verrückt.“

Die Spieler des FC Liverpool sind genauso heiß auf das Finale wie ihr Trainer. „Klopp hat den ganzen Klub verändert. Wir würden ihm gern diesen Titel schenken“, so Abwehrspie­ler Andrew Robertson. Die KloppoMani­a, die auch schon in Mainz und Dortmund grassierte, ist auch in Liverpool längst ausgebroch­en. Jürgen Klopp, ein Trainer mit Charisma, mit riesigem Identifizi­erungspote­nzial. Auf der anderen Seite der Kultklub Liverpool, weltweit einer der Vereine mit der größten Tradition. Liverpool und Klopp – das passt. „Wir haben uns ineinander verliebt“, sagte der Trainer .

Klopp entfesselt Leidenscha­ft, wandelt Emotionen in Tore um. „King of the Kop“wird er genannt. Aber nicht nur die Fans an der Anfield Road liegen ihm zu Füßen. An der Ecke Liverpool Street/Jamaica Street ist Klopp als Graffiti-Kunstwerk auf einer Mauer verewigt. Der Trainer hält sich darauf seine Hand aufs Herz.

Klopp hat hyperweiße Zähne, er lässt sich Haare auf die Kopfhaut transplant­ieren, doch Klopp wirkt authentisc­h. Nicht nur die Fans, vor allem seine Spieler glauben daran, was er sagt. Glaube versetzt Berge, heißt es. Glaube kann auch Spiele gewinnen. Er weiß, dass Spieler Unmögliche­s möglich machen können, wenn ein Trainer ihre Herzen erreicht. Manchmal nennt man es dann wie beim 4:0 gegen Barcelona ein Wunder.

Borussia Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke bezeichnet­e Klopp auf dem Online-Portal Schwatzgel­b.de schon einen „Menschenfä­nger“, als er noch gar nicht den BVB 2011 und 2012 zur Meistersch­aft und 2012 zum Pokal geführt hatte. Der Mainzer Stadionspr­echer Klaus Hafner erinnerte sich in einem Interview mit Kicker.TV an die Zeit mit Klopp und kam zum Schluss: „Jürgen hat so eine Überzeugun­gskraft, der verkauft dem Papst ein Doppelbett.“

Aber Klopp kann auch ganz anders sein. Fast wie in Dr.Jekyll-Mr.Hyde-Manier scheint es zwei Klopps zu geben. Wenn es mal nicht so läuft wie im letzten Jahr in Dortmund, wenn der Schiedsric­hter seiner Meinung nach mal zur falschen Zeit zur Pfeife griff, rastet der Mann mit dem Sechs-Tage-Bart schon mal kräftig aus. Der brodelnde Vulkan bricht dann aus, sein Gesicht verzieht sich zu einer angsteinfl­ößenden Fratze. In der Bundesliga geigte er mal dem vierten Offizielle­n auf Nasenspitz­ennähe die Meinung.

Aus England ist zu hören, Klopp sei ruhiger geworden. „Ich werde glückliche­rweise älter und weiser“, sagt der 51-Jährige. Am Freitag lief es gut für Klopp und damit auch für die Journalist­en bei der Pressekonf­erenz in Madrid. Als charmanter Plauderer auf öffentlich­er Bühne präsentier­te sich der Liverpool-Trainer nach kurzer Anlaufzeit. Man darf Klopp glauben, dass er bei seinem ersten Presseterm­in 2015 in Liverpool aus dem Bauch heraus einen Satz sprach, der alle zum Schmunzeln brachte. „I’m the normal one“(ich bin der Normale) beschrieb er sich in Anspielung auf den ungeliebte­n, weil so unnahbaren Jose Mourinho, der sich selbst als Trainer bei Manchester United als „The Special One“(der Spezielle) bezeichnet­e. Mourinho lobte Klopp jetzt in höchsten Tönen. Aber eines hat der Portugiese dem Deutschen voraus: Er hat die Champions League schon gewonnen.

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FOTO: DAVE THOMPSON/DPA Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, steht zum zweiten Mal in Folge im Finale der Champions League.

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